Egal was ich sage, mein Partner fühlt sich angegriffen

Viele Menschen leiden unter dem bedrückenden Gefühl, dass die Kommunikation mit ihrem Partner mit den Jahren immer schwieriger wird. Obwohl man sich schon so lange kennt, scheint das Risiko für Missverständnisse nicht kleiner, sondern größer zu werden. Sie wollen vielleicht ein Alltagsproblem zur Sprache bringen oder ein akutes Bedürfnis äußern, als die Situation plötzlich eskaliert; egal, was Sie sagen – Ihr Partner fühlt sich angegriffen, zu Unrecht kritisiert oder gegängelt. Woher kommt das? Und wie kommt man da wieder heraus, wenn man sich doch liebt und die Beziehung nicht durch ständigen Streit und schlechte Stimmung belasten möchte?

In diesem Artikel geht es um typische Missverständnis-Situationen, Probleme der Kommunikation zwischen Mann und Frau und was Sie tun können, damit sich Ihr Partner nicht immer gleich angegriffen fühlt, sondern Ihnen in Zukunft genauer zuhört und Sie besser versteht. Das setzt jedoch auch voraus, dass Sie bereit sind, an sich selbst zu arbeiten, denn Kommunikationsprobleme können nur gemeinsam gelöst werden.

Jeder kann sich angegriffen fühlen

In Paartherapien erzählen sowohl Männer als auch Frauen, in deren Beziehung oder Ehe es kriselt, dass es scheinbar nur noch gefährliche Themen gibt. Egal, was sie sagen, der Partner fühlt sich angegriffen, beleidigt oder genervt. Statt zuzuhören wird zügig unterbrochen und zum rhetorischen Gegenangriff übergegangen. Dabei war meist überhaupt kein Angriff geplant.

Einen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt es allerdings: Frauen klagen in schwierigen Beziehungsphasen oft darüber, nicht genug zu bekommen – zu wenig Aufmerksamkeit, Nähe und Zeit, keine klaren Antworten, keine deutlichen Zeichen. Männer berichten dagegen öfter, ihnen sei alles zu viel. Zu viele Worte, zu viele Fragen, zu viel Aufmerksamkeit, zu viel Nähe. Wohlgemerkt, in derselben Partnerschaft – wie kann das denn nur möglich sein?

Um Ihnen dieses Phänomen verständlich zu machen und damit Sie es besser verstehen können, nenne ich Ihnen gleich gängige Situationen, in denen Frauen oft anders „ticken“ als Männer (und die Sie bestimmt auch schon erlebt haben). Dazu zeige ich Ihnen Auswege und Lösungen auf, um eine solche Situation zu entkrampfen und Missverständnissen möglichst vorzubeugen:

Sie fühlt sich alleingelassen – Ihr Mann fühlt sich erpresst

Wenn Frauen über ihre Gefühle und Bedürfnisse reden, fühlen Männer sich schnell angegriffen oder emotional erpresst. Setzen Sie daher verstärkt auf Ich-Botschaften, damit können Sie Missverständnisse vermeiden und kommen eher zum Ziel: Wünschen Sie sich etwa mehr Zeit mit Ihrem Mann, sagen Sie nicht: „Nie hast du Zeit für mich“ oder „Dir ist wohl alles wichtiger als ich.“ Statt Ihren Mann mit solchen Vorwürfen in die Defensive zu drängen und sich beiden die Laune zu verderben, sagen Sie ihm lieber, wie viel Lust Sie hätten, mit ihm gemeinsam etwas Schönes zu unternehmen oder mal wieder ein ganzes Wochenende gemeinsam im Bett zu verbringen.

Sie haben Kritik zu einem allgemeinen Thema – Ihr Partner fühlt sich persönlich angegriffen

Es kann passieren, dass ein Partner dazu neigt oft Kritik als Angriff auf die gesamte Person zu sehen, selbst wenn Sie nur ein bestimmtes Verhalten ansprechen. Bei Kritik wegen Nachlässigkeiten (z. B. herumliegende Socken, Müll nicht rausgebracht), achten Sie auf Ihre Stimme, vermeiden Sie Formulierungen mit „immer“ und „nie“. Stellen Sie besser keine Vergleiche an, bei denen einer den Kürzeren zieht, denn mit Nörgeln und Keifen, selbst wenn er Ihnen dazu noch so viel Anlass bietet, verringern Sie die Chance auf Einsicht nur unnötig. Versuchen Sie stattdessen, kurz und bündig zur Sache zu reden, dann fühlt Ihr Partner sich nicht angegriffen, sondern angesprochen – und kann sich als rationaler Problemlöser beweisen.

Eine möchte Sicherheit – der andere fühlt sich kontrolliert

Übermäßige Nachfragen und/oder Ratschläge, nehmen viele Menschen als übermäßige Kontrolle und Gängelei wahr. Selbst wenn Sie nur nach Sicherheit und Verbindlichkeit suchen, kann Ihr Partner sich angegriffen und in seiner Unabhängigkeit bedroht fühlen. Versucht er allerdings auffällig und anhaltend, sich Ihren Blicken oder Fragen zu entziehen, hat er wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen – dann sollten Sie gezielt nachfragen.

Sie möchten Nähe – Ihr Partner fühlt sich bedrängt

Die meisten Menschen suchen in einer Partnerschaft jederzeit Nähe und Austausch, während möglicherweise der andere dafür auf passende Momente wartet. Es kann zudem als distanz- und respektlos empfunden werde, wenn einer „zur falschen Zeit“ oder „auf die falsche Weise“ Nähe herstellen oder zeigen will. Fühlt Ihr Partner sich angegriffen oder reagiert abweisend, wenn Sie ihm z. B. direkt nach seiner Heimkehr mit Fragen zu seinen Erlebnissen löchern oder ihn sofort daran erinnern, welche Pläne Sie für den späteren Abend gemacht haben, braucht er möglicherweise mehr Zeit (und Ruhe) zum „Runterkommen“. Lassen Sie ihm beides, nehmen Sie das auf keinen Fall persönlich, und warten Sie auf einen günstigeren Zeitpunkt später.

Frauen und Männer haben unterschiedliche Kommunikationsmuster

Die meisten Männer kommunizieren direkt, kommen gleich zur Sache, während Frauen ihre eigentliche Botschaft oft „zwischen den Zeilen“ verstecken. Wenn z. B. eine Frau sich mit den Worten „Mir ist kalt“ an ihren Mann wendet, glaubt sie etwa, damit eine klare Botschaft zu senden und erwartet von ihrem Mann, dass er aus Liebe richtig reagiert.

Der Mann dagegen hört eine Feststellung, vermutet dabei Hintergedanken („Warum sollte sie mir das sonst sagen?“) und gerät so umgehend unter internen Druck. Was soll er tun? Die Heizung aufdrehen, seine Frau wärmen, Verständnis äußern, über den Winter sprechen?

Unterschiedlicher Umgang mit Erwartungen, Druck und emotionalen Reaktionen

Manchmal haben Frauen sehr klare Erwartungen, sprechen diese jedoch nicht aus. Der Partner kennt diese Erwartungen dann nicht und kann sie nicht erfüllen. Vielleicht haben Sie sich auch schon über Ihren Partner geärgert, der - mal wieder - nicht merkt, dass Sie Hilfe brauchen, auch, weil Sie im Haushalt viel mehr Aufgaben erledigen als er. Da ist es durchaus verständlich, dass Sie nörgeln, ihm einen Vortrag halten oder entnervt reagieren. Aus meiner Perspektive als Psychologin muss ich Ihnen dennoch mit Nachdruck davon abraten. Machen Sie lieber klare, unmissverständliche Ansagen, z. B.: „Ich hab‘ hier die Wäsche zusammengelegt, du kannst sie in den Schrank räumen.

Neue Kommunikationsansätze gemeinsam lernen

Als Partnertherapeutin gebe ich Paaren immer wieder und aus tiefster Überzeugung den Rat, klarer zu kommunizieren. Eine Partei, die sagt: „Mir ist kalt, kannst du die Heizung anmachen?“ kann kaum missverstanden werden. Allerdings weiß ich auch, dass gerade Frauen häufig nicht (nur) kommunizieren, um verstanden zu werden. Nicht wenige finden eine direkte Kommunikation eher kühl als herzlich. Oft haben sie auch kein konkretes Ziel, sondern wollen einfach mit ihrem Mann reden, und fangen zu dem Zwecke irgendwo an.

Kommunikationsprobleme in Beziehungen, die über Jahre hinweg bestehen, lassen sich nur schwer ohne Hilfe lösen, zumal, wenn sie den Betroffenen selbst kaum bewusst sind. In meiner Praxis als Paar- und Partnerschaftstherapeutin erlebe ich jedoch immer wieder, wie gezielte Therapieansätze Paare dabei unterstützen können, kommunikative Hürden und Missverständnisse zu überspringen und als Liebende gemeinsam zu wachsen.

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Paartherapie Aachen