Fremdgehen verzeihen: Wann die Beziehung zu retten ist

Untreue ist eines der häufigsten Eheprobleme. Darum wird sie auch in der Eheberatung oft zur Sprache gebracht – von ratsuchenden oder verzweifelten Partnern, die sich fragen, ob sie das Fremdgehen verzeihen wollen oder nicht mehr länger zusammenbleiben möchten.

Grundsätzlich stehen die Chancen, eine eigentlich stabile Ehe nach einer Affäre oder einem Seitensprung zu retten, durchaus gut.

Zwar hat der Partner, der fremdgegangen ist, das Treuegelöbnis gebrochen und damit das Vertrauen des anderen enttäuscht. Doch wenn beide dazu entschlossen sind, den Bruch zu reparieren, das Vergangene zu überwinden und weiterhin gemeinsam in die Zukunft zu schauen, lässt sich meist ein Weg finden, um die Eheprobleme zu lösen.

Was ist Fremdgehen und wo beginnt es?

Fremdgehen bedeutet, das Vertrauen des Partners zu brechen, indem man gegen die Regeln der Treue verstößt. Es umfasst sowohl emotionale als auch körperliche Untreue.

Wann genau Fremdgehen beginnt, ist von Paar zu Paar unterschiedlich: Für manche startet es bereits bei einer emotionalen Bindung zu einer anderen Person, für andere erst bei einem körperlichen Kontakt. Entscheidend ist, dass beide Partner ähnliche Vorstellungen davon haben, was sie als Treue oder Untreue empfinden.

Gründe für Fremdgehen

Psychologische Hintergründe

Aus psychologischer Sicht wird Untreue oft als Symptom tieferliegender Beziehungsprobleme gesehen. Konflikte, emotionale Distanz oder Kommunikationsschwierigkeiten können einen Partner dazu verleiten, außerhalb der Beziehung nach Trost oder Bestätigung zu suchen.

Eine Affäre scheint kurzfristig eine Flucht aus einer belastenden Beziehungssituation zu bieten, doch sie löst die zugrunde liegenden Probleme nicht. Stattdessen fügt sie zusätzliches Leid und Misstrauen hinzu. Der Seitensprung ist oft ein Ausdruck von Problemen, die schon lange schwelen.

Mangelnde Aufmerksamkeit

Fehlt es in der Partnerschaft an Aufmerksamkeit oder Wertschätzung, kann dies den Wunsch wecken, diese Anerkennung anderswo zu suchen. Nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Bindungen zu einer anderen Person entstehen oft aus dem Bedürfnis, sich wertgeschätzt und verstanden zu fühlen.

Sexuelles Verlangen

Sexuelle Frustration oder unerfüllte Wünsche können ebenfalls ein Motiv für Untreue sein. Statt offen über diese Bedürfnisse zu sprechen, suchen manche Partner außerhalb der Ehe nach Erfüllung, was das Vertrauen weiter untergräbt. Dabei wäre der ehrliche Austausch über diese Bedürfnisse oft der erste Schritt zur Lösung.

Abwechslung und Abenteuerlust

Langjährige Beziehungen können zu Routinen führen, die bei manchen Menschen den Wunsch nach Neuem wecken. Diese Sehnsucht nach Abwechslung ist nicht immer ein Zeichen für fehlende Liebe, sondern kann auch ein persönliches Bedürfnis nach Bestätigung oder Aufregung sein.

Unsicherheiten und Selbstwertprobleme

Menschen, die sich in ihrer Beziehung unsicher oder wenig wertgeschätzt fühlen, sehnen sich häufig nach Aufmerksamkeit von außen, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Eine Affäre kann vorübergehend das Gefühl vermitteln, wieder begehrenswert zu sein, bringt jedoch keine dauerhafte Lösung.

Fremdgehen verzeihen: Geht das überhaupt?

Emotionen nach einem Seitensprung

Nach dem Entdecken oder Beichten der Untreue brechen viele Gefühle mit voller Kraft über die Betroffenen herein – die Palette reicht von Schockstarre über Wut, Tränen und nächtelange Debatten bis hin zu Kurzschlusshandlungen und Panikreaktionen. Gefühle wie Unglauben, Ärger, Unsicherheit, sowie Trauer und Verlust sind legitim und sollten zugelassen werden.

Ist der erste Sturm abgeklungen, stellt sich meist die Frage, was nach diesem Einbruch weiter mit der Partnerschaft geschehen soll: Ist es besser, die Trennung einzuleiten, oder lohnt sich der Versuch, gemeinsam die Ehe zu retten

Warum wollen Sie bleiben? Verlustangst oder Liebe?

Als betrogener Partner kann es hilfreich sein, zunächst in einen Reflexionsprozess zu gehen und sich die Frage zu stellen, warum man darüber nachdenkt, in der Beziehung zu bleiben. Geschieht dies aus dem Glauben daran, dass die Beziehung grundsätzlich gut und die Arbeit wert ist, oder wird die Entscheidung eher aus einer Angst heraus getroffen, sei es Verlustangst oder die Angst davor, allein zu sein?

Nur im ersten Fall handelt es sich wirklich um eine freie und gesunde Entscheidung. Die Reflexion hilft dabei, eine bewusste und gesunde Entscheidung zu treffen, die nicht nur auf kurzfristigen Emotionen basiert, sondern die langfristige Perspektive der Beziehung berücksichtigt.

Die Voraussetzungen für Vergebung: Wann sollte man Fremdgehen nicht verzeihen?

Es gibt Situationen, in denen es besser ist, Fremdgehen nicht zu verzeihen und die Beziehung zu beenden. Denn ohne bestimmte Grundvoraussetzungen besteht wenig Aussicht auf eine gesunde und vertrauensvolle Partnerschaft.

  1. Wiederholte Untreue: Wenn der Partner mehrfach fremdgegangen ist, ist das ein starkes Warnsignal. Es zeigt, dass tiefere Probleme in der Beziehung bestehen, die durch Vergebung allein nicht gelöst werden können. Wiederholte Untreue deutet darauf hin, dass der untreue Partner nicht bereit oder fähig ist, sein Verhalten zu ändern. In solchen Fällen wird das Vertrauen immer wieder verletzt, was das emotionale Wohl des betrogenen Partners ernsthaft gefährdet.
  2. Fehlende Reue: Vergebung setzt echte Reue des untreuen Partners voraus. Das bedeutet, er oder sie muss die Verantwortung für das Handeln übernehmen und die Folgen für die Beziehung verstehen. Ohne diese Einsicht ist es fast unmöglich, den Seitensprung zu verarbeiten und Vertrauen wieder aufzubauen. Wenn der Partner keine Reue zeigt, nimmt er den Schaden, den er angerichtet hat, nicht ernst – das erschwert eine Versöhnung erheblich.
  3. Fortgesetzte Unehrlichkeit: Auch nach einem Seitensprung ist Ehrlichkeit das Fundament jeder Beziehung. Wenn der untreue Partner weiterhin Geheimnisse hat oder lügt, wird das Vertrauen dauerhaft zerstört. In einer Beziehung, die auf Unehrlichkeit basiert, kann es keine Sicherheit geben. Der betrogene Partner lebt in ständiger Angst vor neuen Lügen oder weiteren Vertrauensbrüchen.
  4. Emotionaler Missbrauch: Ein besonders schwerwiegender Grund, Fremdgehen nicht zu verzeihen, ist emotionaler Missbrauch. Wenn der untreue Partner manipulatives Verhalten zeigt, dem betrogenen Partner die Schuld für den Seitensprung gibt oder das Geschehene verharmlost, spricht man von einer toxischen Dynamik. Manipulation zerstört das Selbstwertgefühl des betrogenen Partners und kann tiefe psychische Narben hinterlassen. In solchen Fällen sollte die Beziehung zum Schutz der eigenen Gesundheit beendet werden.
  5. Fehlende Veränderungsbereitschaft: Beide Partner müssen bereit sein, aktiv an der Beziehung zu arbeiten. Wenn der untreue Partner nicht bereit ist, sich zu ändern oder an den Problemen der Beziehung zu arbeiten, bleibt das Risiko hoch, dass das Verhalten wiederholt wird. Ohne echte Veränderung kann die Beziehung nicht heilen, und die Probleme, die zur Untreue geführt haben, bleiben ungelöst.

Fremdgehen verzeihen: das richtige Verhalten nach einem Seitensprung

Erste Schritte

In vielen Fällen verlässt einer der beiden kurzfristig die gemeinsame Wohnung, weil die körperliche Nähe des anderen in der Krisensituation unerträglich scheint. Abstand kann durchaus beiden helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, verschiedene Optionen durchzudenken und sich auf die weitere Auseinandersetzung vorzubereiten.

Auch wenn es zunächst schwierig erscheinen mag, ist es langfristig sinnvoll, Schuldzuweisungen zunächst zu vermeiden. Sie schaffen nur zusätzliche Konflikte und verhindern, dass echte Lösungen gefunden werden. Stattdessen sollte der Fokus auf offenen Gesprächen und der Suche nach Ursachen liegen.

Auch Verdrängung ist keine hilfreiche Strategie – das Ignorieren des Problems lässt den Vertrauensbruch im Raum stehen und verhindert die Heilung. Der Seitensprung muss offen angesprochen werden, damit beide Partner die Möglichkeit haben, sich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen.

Wie lange dauert es, Fremdgehen zu verzeihen?

Für den betrogenen Partner ist es wichtig, die aufkommenden Gefühle wie Wut, Trauer, Enttäuschung und Unsicherheit zuzulassen. Diese emotionale Verarbeitung ist der erste Schritt auf dem Weg zur Vergebung. Unterdrückte oder nicht geklärte Emotionen können später immer wieder hochkommen und den Heilungsprozess behindern.

Wie lange es dauert, einen Seitensprung zu verzeihen, hängt von vielen Faktoren ab. Es kann Wochen, Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen. Der Vergebungsprozess läuft in mehreren Phasen ab, die alle Zeit und Geduld erfordern.

Die Phasen des Vergebungsprozesses

1. Schock und Verleugnung

Nach dem Entdecken eines Seitensprungs fühlen sich viele Menschen zunächst wie betäubt. Sie können nicht glauben, was passiert ist, und verdrängen oft das Geschehene. Diese Phase, in der die Realität noch nicht ganz verarbeitet wird, dauert normalerweise ein paar Tage bis Wochen. In dieser Zeit schwankt der betrogene Partner oft zwischen Wut, Trauer und dem Wunsch, den Seitensprung herunterzuspielen, um den Schmerz zu vermeiden.

2. Emotionale Verarbeitung

Wenn der erste Schock nachlässt, kommen starke Emotionen wie Wut, Trauer, Enttäuschung und Verletzung auf. Diese Gefühle müssen durchlebt werden, um die Situation zu bewältigen. Diese Phase kann sehr intensiv und unterschiedlich lang sein. Es tauchen viele Fragen auf: Warum ist das passiert? Was bedeutet es für die Zukunft der Beziehung? Der Partner sollte sich Zeit geben, um diese Gefühle zu verarbeiten, ohne sich zu drängen, sofort eine Entscheidung zu treffen.

3. Entscheidungsfindung

Nach der emotionalen Verarbeitung stellt sich die Frage: Verzeihen oder trennen? Dies ist oft die schwerste Phase, da sie eine gut durchdachte Entscheidung erfordert. Beide Partner müssen sich fragen, ob sie bereit sind, weiter an der Beziehung zu arbeiten, ob genug Liebe und Einsatz vorhanden sind, um den Seitensprung zu überwinden, oder ob eine Trennung der bessere Weg ist. Diese Entscheidung sollte nicht überstürzt getroffen werden, da die emotionalen Wunden zuerst heilen müssen.

4. Neuanfang

Wenn die Entscheidung für einen Neuanfang getroffen wurde, beginnt die eigentliche Arbeit. Die Beziehung muss Schritt für Schritt auf eine neue Basis gestellt werden. Beide Partner müssen aktiv daran arbeiten, die Kommunikation zu verbessern, Nähe und Intimität wiederherzustellen und sich gegenseitig zu unterstützen. Geduld ist wichtig, da alte Ängste und Unsicherheiten immer wieder aufkommen können. Doch mit Zeit, Mühe und Engagement kann die Beziehung wieder wachsen und stärker werden.

Fremdgehen verzeihen ist ein Prozess

Vergebung ist kein einmaliger Akt, sondern ein langer Prozess. Selbst nach der Entscheidung, der Beziehung eine zweite Chance zu geben, wird das Vertrauen nur langsam wieder aufgebaut. Es braucht von beiden Partnern ständige Bemühungen und Geduld, um alte Wunden zu heilen und neue, ehrliche Verbindungen zu schaffen. Offenheit, Transparenz und Rücksicht auf die Bedürfnisse des betrogenen Partners sind hier entscheidend, um Misstrauen und Unsicherheiten abzubauen. Dieser Prozess kann Monate oder länger dauern, je nachdem, wie tief der Vertrauensbruch war.

Fremdgehen verzeihen: Vertrauen wiederaufbauen

Wenn beide Partner entschlossen sind, ihre Ehe zu retten, stehen das Wiederaufbauen von Vertrauen und das Verarbeiten der Affäre im Vordergrund. Der entstandene Bruch muss geheilt werden, um wieder zueinander zu finden.

Offene Kommunikation

Vertrauen nach einem Seitensprung wieder aufzubauen, ist ein langsamer Prozess, der viel Geduld erfordert. Ein wichtiger Schritt dabei ist die offene Kommunikation. Beide Partner müssen ehrlich über ihre Gefühle sprechen können – egal ob es sich um Schmerz, Schuld oder Unsicherheit handelt. Der betrogene Partner braucht Raum, um seine Ängste und Zweifel zu äußern, während der untreue Partner bereit sein muss, offen und transparent zu agieren. Diese Gespräche können schmerzhaft sein, sind aber notwendig, um neues Vertrauen aufzubauen.

Verantwortung übernehmen

Der untreue Partner muss die volle Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Es reicht nicht, die Affäre zu verharmlosen oder herunterzuspielen. Der Partner muss die Konsequenzen des Seitensprungs anerkennen und zeigen, dass er sich ändern möchte. Ohne klare Reue bleibt das Wiederaufbauen von Vertrauen schwierig.

Grenzen setzen

Es ist wichtig, neue Regeln und Grenzen festzulegen, um zukünftige Untreue zu verhindern. Diese Grenzen können beinhalten, bestimmte Kontakte zu vermeiden oder offener über Beziehungen zu anderen Menschen zu sprechen. Beide Partner müssen diesen Regeln zustimmen und sich daran halten, um das Vertrauen zu stärken und Misstrauen zu vermeiden.

Professionelle Hilfe

Eine Paartherapie kann eine große Unterstützung sein. Therapeuten bieten einen sicheren Raum, in dem beide Partner ihre Gefühle und Bedürfnisse offen ansprechen können. Sie helfen dabei, die tieferen Probleme zu erkennen, die zur Untreue geführt haben. Außerdem liefern sie Werkzeuge, um die Kommunikation zu verbessern und das Vertrauen Schritt für Schritt wiederherzustellen.

Geduld

Der betrogene Partner braucht Zeit und auch glaubwürdige Ansatzpunkte, um den Treuebruch zu verarbeiten und darüber auch emotional hinwegzukommen. Beteuerungen der Reue oder Scham, Erklärungen und Rechtfertigungen für den Seitensprung oder das einfache Versprechen, es nicht wieder zu tun, reichen nicht aus – auch sie brauchen erst einmal Zeit, um sich zu beweisen und damit auch wirksam zu werden. 

Der Partner, der fremdgegangen ist, wünscht sich oft, die Zeit möge schneller für ihn arbeiten – vor allem, wenn er den Seitensprung wirklich bereut und alles dafür tun möchte, um seine Ehe zu retten, die nach der Affäre zu scheitern droht. Doch es hilft nichts, den anderen in dieser Situation zu drängen oder immer wieder auf die eigenen Gefühle hinzuweisen – zum Beispiel auf das schlechte Gewissen, die Schuldgefühle oder die Sehnsucht, es möge alles schnell wieder so werden wie vorher. 

Keiner der beiden kann die Uhr zurückdrehen und den Seitensprung einfach ungeschehen machen oder vergessen. Darum braucht das neue Vertrauen Raum und Zeit, um in die entstandene Vertrauenslücke hineinzuwachsen – es kann nicht einfach per Handschlag beschlossen werden, es an die Stelle des alten zu setzen.

Nach einer Affäre oder einem Seitensprung ist zwar nichts mehr so, wie es vorher war. Doch so lange sich beide noch von Herzen lieben und grundsätzlich zusammenbleiben möchten, ist auch das Potenzial für neues Vertrauen und neue Harmonie vorhanden. Eine Eheberatung oder Paarberatung öffnet den Blick für verschiedene Lösungsmöglichkeiten und hilft den Partnern, ihre Eheprobleme dauerhaft zu überwinden. 

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Paarberatung Aachen 

Zuletzt aktualisiert: 01.12.2024