Gehen oder bleiben: Soll ich mich trennen?  

Im Urlaub streiten, Weihnachten allein verbringen oder zum Jahreswechsel wieder Single sein: Das wünscht sich niemand.

Dennoch sind Sommerferien, Weihnachten und Silvester die Zeiten, in denen sich Paare am häufigsten trennen. Ein Hauptgrund für diese Häufung ist, dass Paare während dieser Phasen mehr Zeit miteinander verbringen.

Der ungewohnte Tagesablauf im Urlaub oder an Weihnachten bringt oft die Konflikte ans Licht, die im gut organisierten Alltag allzu schnell verdrängt werden. Plötzlich kommen all die Themen hoch, die das Paar weggeschoben hat.

Man fühlt sich überwältigt. Es scheint, als gäbe es nur noch einen Ausweg: die Trennung. 

Doch selbst in Krisen wird oft nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Auch wenn es schon länger kriselt, erkennen viele bei genauerem Hinsehen, dass sie ihren Partner und die gemeinsame Beziehung nicht einfach aufgeben wollen. 

Zurück bleibt ein Gefühl der Ambivalenz. Man stellt sich die Frage: Soll ich mich trennen oder bleiben? 

Wie viele Trennungsgedanken sind normal? 

Es ist ganz normal, sich in einer Ehe oder festen Beziehung ab und zu die Frage zu stellen: Soll ich mich trennen? Etwa die Hälfte aller Menschen in einer Partnerschaft spielt zumindest gelegentlich mit diesem Gedanken.

Trennungsgedanken sind auch nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass die Beziehung schlecht läuft. Vielmehr sind sie Teil eines Entwicklungsprozesses – sowohl für die Einzelnen als auch für das Paar. 

Wenn man eine Beziehung eingeht, trifft man eine Entscheidung für den Partner. Diese Entscheidung gilt jedoch vor allem für die Gegenwart.

Auch wenn man gemeinsame Zukunftspläne hat oder bei der Eheschließung ein Versprechen auf Lebenszeit abgibt, wird diese Entscheidung im Laufe der Zeit immer wieder überdacht. Wie oft das geschieht, hängt vom Charakter, der aktuellen Beziehungssituation und den persönlichen Erwartungen ab. 

Trennungsgedanken sind also ein normaler Teil des Beziehungslebens und bedeuten nicht automatisch das Ende. 

Emotionale Konflikte: Zweifel, Unsicherheiten und Ängste in der Beziehung 

Sollten Trennungsgedanken jedoch häufiger auftreten, sollte man einmal genauer hinschauen. Solche inneren Konflikte können ein Hinweis darauf sein, dass man vor einer Herausforderung steht – sei es innerhalb der Beziehung oder in der eigenen inneren Welt.

Zweifel kommen zum Beispiel auf, wenn man sich fragt, ob der Partner wirklich passt oder ob man langfristig glücklich sein kann. Unsicherheiten entstehen auch, wenn das Vertrauen in der Beziehung fehlt, zum Beispiel durch Kommunikationsprobleme, Eifersucht oder ungelöste Konflikte

Hinter der nagenden Frage "Soll ich mich trennen?" können jedoch auch Bindungsängste stecken. Läuft die Beziehung eigentlich gut und Gedanken dieser Art tauchen trotzdem immer wieder auf, kann das ein Zeichen sein, dass man Probleme hat, Nähe zuzulassen. In solchen Fällen wäre eine Trennung vielleicht nur eine Flucht vor der Angst, sich wirklich auf den Partner einzulassen.

Soll ich mich trennen: Ja oder nein? 

Die Entscheidung, ob man sich trennt oder zusammenbleibt, ist selten einfach. Es gibt gute Gründe für beide Wege: Eine Trennung kann der Beginn eines neuen, selbstbestimmten Lebens sein, während der Entschluss, an der Beziehung zu arbeiten, die Chance bietet, gemeinsam an Problemen zu arbeiten und daran zu wachsen. Beide Optionen verdienen es, sorgfältig abgewogen zu werden. 

Positive Folgen einer Trennung: Selbstbestimmung & persönliches Wachstum 

Auch wenn eine Trennung sehr beängstigend erscheint, kann sie durchaus eine Überlegung wert sein. Ist man bereits seit Jahren unglücklich und sieht keine Verbesserung trotz anhaltender Versuche, kann eine Trennung ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstbestimmung und persönliches Wachstum sein. 

Oft bleibt man in einer unglücklichen Beziehung, weil man Angst vor dem Unbekannten hat oder hofft, dass sich die Dinge von selbst verbessern. Doch dieser Stillstand kann dazu führen, dass man sich selbst und die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Eine Trennung, so schmerzhaft sie zunächst auch sein mag, öffnet die Tür zu neuen Möglichkeiten und gibt Raum, sich selbst wiederzufinden. 

Durch die Entscheidung, die Beziehung zu beenden, nimmt man das eigene Leben wieder in die Hand. Man lernt, eigene Entscheidungen zu treffen und sich von negativen Mustern zu lösen. Diese neu gewonnene Freiheit ermöglicht es, sich auf persönliche Ziele zu konzentrieren, alte Interessen wiederzuentdecken oder neue Leidenschaften zu entwickeln. 

Die Erfahrung, sich aus einer unglücklichen Situation zu befreien, stärkt das Selbstbewusstsein und kann das Fundament für ein erfüllteres Leben legen. Auch wenn der Weg nicht immer einfach ist, kann eine Trennung der erste Schritt zu einem glücklicheren und authentischeren Selbst sein. 

Alternative zur Trennung: gemeinsames Wachstum als Paar 

Genauso wie es gute Gründe für eine Trennung geben kann, gibt es auch Gründe, die für das Arbeiten an der Beziehung sprechen. Zum einen kann die Entscheidung, sich zu trennen, große Veränderungen mit sich bringen - schon allein auf ganz praktischer Ebene. 

So könnte ein Partner seine finanzielle Absicherung verlieren. Man muss sich einigen, wer aus der gemeinsamen Wohnung auszieht. Im schlimmsten Fall kommt es zu Sorgerechtsstreitigkeiten. Wer bereit ist, das alles in Kauf zu nehmen, fühlt sich in der Beziehung wahrscheinlich schon lange sehr unglücklich. 

Der weitaus wichtigere Grund für die Entscheidung, in einer Beziehung zu bleiben, ist jedoch die Chance, gemeinsam durch die Beziehungsarbeit zu wachsen. Die besten Chancen, eine Beziehung zu retten, bestehen dabei, wenn die Trennung noch deutlich als Plan B erscheint. 

Solange beide Partner noch den Wunsch haben, sich zu versöhnen und an einer glücklichen Beziehung zu arbeiten, gibt es in den meisten Fällen Hoffnung. Die Beziehung zu reparieren und die Nähe wiederherzustellen, kann zwar viel Arbeit bedeuten, aber solange Liebe und Respekt vorhanden sind, lohnt sich der Aufwand. 

Der "Soll ich mich trennen"-Test 

Im Internet findet man viele Tests, die angeblich dabei helfen sollen, herauszufinden, wann eine Trennung sinnvoll ist. Doch solche Tests können niemals die Komplexität einer Beziehung erfassen. Deshalb wird an dieser Stelle auf einen solchen Test verzichtet. Jede Situation ist hochindividuell und sollte entsprechend bewertet werden. Ratsamer ist es, die eigene Situation im Rahmen einer Paar- oder Ehetherapie genauer unter die Lupe zu nehmen und zu verstehen, was wirklich hinter den Trennungsgedanken steckt. 

Häufige Gründe für eine Trennung 

Im Durchschnitt tragen Menschen in unglücklichen Beziehungen etwa drei Jahre lang Trennungsgedanken mit sich herum. Sie handeln meist erst, wenn die Situation unerträglich wird. Häufige und ernstzunehmende Trennungsgründe sind Vertrauensverluste, ständige Streitereien und unterschiedliche Zukunftspläne. 

Vertrauensverlust 

Vertrauen ist der Kern jeder Beziehung. Wird dieses Vertrauen gebrochen, gerät die Partnerschaft ins Wanken. Gründe dafür können Untreue, Lügen oder gebrochene Versprechen sein. 

Oft entsteht Misstrauen schleichend, wenn der Partner nicht mehr als verlässlich empfunden wird. Ist das Vertrauen erst einmal verloren, fällt es schwer, es zurückzugewinnen. Misstrauen führt zu Unsicherheit, emotionalem Rückzug und Kontrollverhalten, was die Beziehung zusätzlich belastet. 

Ständige Streitereien 

Dauerhafte Konflikte können eine Beziehung stark belasten. Wenn Streit zur täglichen Routine wird, leiden das gegenseitige Verständnis und der Respekt füreinander. Häufige Auseinandersetzungen sind oft ein Zeichen dafür, dass tiefere Probleme ungelöst bleiben. 

Es können unterschiedliche Werte, Erwartungen oder Kommunikationsstile sein, die immer wieder zu Reibungen führen. In einer solchen Atmosphäre fällt es schwer, positive Momente zu genießen und Nähe aufzubauen. 

Unterschiedliche Zukunftspläne 

Wenn die Vorstellungen von der Zukunft stark auseinandergehen, kann das die Partnerschaft auf eine harte Probe stellen. Vielleicht möchte einer Kinder, während der andere sich ein Leben ohne Nachwuchs wünscht. 

Verschiedene Ansichten darüber, wie man sein Leben gestalten will, können langfristig zu großen Spannungen führen. Es ist schwierig, eine gemeinsame Zukunft zu planen, wenn die Ziele nicht übereinstimmen. In solchen Fällen ist es oft schwer, einen Kompromiss zu finden, der beide zufriedenstellt, was die Beziehung erheblich belasten kann. 

Die Entscheidung für die Trennung 

Praktische Umsetzung: Vorbereitung und Durchführung des Trennungsgesprächs 

Eine Trennung sollte niemals leichtfertig ausgesprochen werden. Bevor Sie das Gespräch führen, sollten Sie sich also völlig sicher sein, dass dies der richtige Weg ist. Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen möchten, und bereiten Sie sich darauf vor, Ihre Entscheidung ruhig und klar zu kommunizieren. 

Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt und einen möglichst neutralen Ort, an dem das Gespräch ungestört stattfinden kann. Versuchen Sie, sich auf keine langen Diskussionen einzulassen und das Gespräch nur so lange wie nötig zu führen. 

Vermeiden Sie Schuldzuweisungen und formulieren Sie Ihre Gründe in „Ich“-Botschaften, um klarzumachen, wie Sie sich fühlen, ohne das Gegenüber dabei anzugreifen. Machen Sie deutlich, dass die Entscheidung fest steht. 

Nach dem Gespräch ist es ratsam, dem Ex-Partner Zeit und Raum zu geben, die Situation zu verarbeiten. Im Idealfall sollten Sie nach dem Gespräch woanders hingehen, um beiden die Möglichkeit zu geben, die Trennung emotional zu verarbeiten, ohne sofort wieder miteinander konfrontiert zu werden. 

Tipps für den Trennungsprozess 

Sollten Sie sich für eine Trennung entscheiden, ist es ein Wunsch vieler Menschen, diese möglichst friedlich zu gestalten. Auch hier kann eine Moderation durch einen Ehe- oder Paartherapeuten sinnvoll sein. 

Fernab davon spielt eine respektvolle Kommunikation für eine gut gelingende Trennung eine zentrale Rolle. Selbst in schwierigen Momenten ist es wichtig, den Ex-Partner mit Achtung zu behandeln und offene, ehrliche Gespräche zu führen, um Missverständnisse zu vermeiden und den Trennungsprozess so harmonisch wie möglich zu gestalten. 

Wenn gemeinsame Kinder im Spiel sind, steht ihr Wohl immer an erster Stelle. Kinder sollten nicht in die Konflikte der Eltern hineingezogen werden. Es ist wichtig, ihnen gemeinsam zu erklären, was passiert, und sie zu beruhigen, dass beide Elternteile weiterhin für sie da sind. 

Klare Absprachen über die Betreuung und den Alltag der Kinder sind unerlässlich, um ihnen Stabilität und Sicherheit zu bieten. Auch wenn es schwerfällt, sollten beide Elternteile bestrebt sein, als Team zu agieren, um den Kindern den Übergang so sanft wie möglich zu gestalten. 

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Eheberatung Aachen 

Zuletzt aktualisiert: 19.11.2024

 

Bach, D. (2016, 21. August). Is divorce seasonal? UW research shows biannual spike in divorce filings. University of Washington News.