Halten via Internet gestiftete Partnerschaften länger?
Von Singlebörsen, Facebook & Co oder der Schwierigkeit, das Glück zu optimieren
Seinen Partner über das Internet zu finden, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Hierzulande ist fast jeder regelmäßig im Netz unterwegs, und dabei gibt es jede Menge Möglichkeiten, andere Menschen kennenzulernen. Die Zahl derer, die im Internet gezielt nach einem Partner suchen, ist hoch, denn es gab auch noch nie so viele Singles wie heute. Millionen setzen auf die digitale Beziehungsanbahnung – entweder mit Hilfe von Online-Partnervermittlungen, Singlebörsen und Ähnlichem oder auf eigene Faust, etwa in den sozialen Netzwerken, Chaträumen oder Foren, in denen sich Menschen mit ähnlichen Interessen aufhalten.
Das World Wide Web erlaubt nahezu grenzenlose Kommunikation. Viele Paare, die sich online kennengelernt und verliebt haben, erzählen, sie wären sich ohne Internet wahrscheinlich nie begegnet. Wer im Internet, ob Singlebörse oder soziale Netzwerke, auf Partnersuche geht, kann aus einer Vielzahl potenzieller Flirt-, Beziehung- oder Ehepartner wählen und seine Wahl auf Wunsch beliebig spezifizieren, etwa durch Ausfiltern bestimmter Eckdaten wie Alter, Aussehen und Beruf, Eigenschaften, Vorlieben und Abneigungen. Laut den Werbebotschaften der Online-Partnervermittler finden so täglich tausende von Menschen zusammen.
Rund 2 Millionen Alleinstehende in Deutschland suchen aktuell über das Internet nach einem passenden Partner. Und weil die private Internetnutzung schon seit vielen Jahren zum Alltag gehört, gibt es mittlerweile auch etliche Studien, die sich mit dem Einfluss des Netzes auf die Beziehungspsychologie beschäftigen. Was ist anders bei Paaren, die sich im Internet kennengelernt haben? Sind ihre Chancen, miteinander glücklich zu werden und dauerhaft zusammenzubleiben, womöglich sogar größer als bei solchen, die sich „offline“ verlieben? Das legt zumindest eine Studie von John Cacioppo nahe: Der amerikanische Psychologe, der an der Universität Chicago tätig ist, ist zu dem Schluss gekommen, dass Partnerschaften und Ehen, die im Netz gestiftet wurden, länger halten.
Mehr Offenheit bei der Partnersuche im Internet
Das Web beeinflusst die Dynamik der Partnerwahl und somit auch deren Ergebnisse. Für ihre Untersuchung befragten John Capiocco und sein Team 19.000 US-Bürger, von denen rund ein Drittel Paare waren, die sich über das Internet bzw. über ein Datingportal gefunden haben. Aus den Antworten der Befragten ging hervor, dass die allgemeine Offenheit und die Bereitschaft, beim Kennenlernen Persönliches preiszugeben, online höher sind, und zwar aus folgenden Gründen:
- Je größer die Auswahl an potenziellen Partnern, desto höher liegt allgemein die Chance, dass der oder die Richtige auch dabei ist. Gleichzeitig motiviert eine große Auswahl zu einer sorgsamen, durchdachten Wahl. Niemand muss die Entscheidung dem Zufall überlassen, und wer schon im Vorfeld genau überlegt und offen mitteilt, was er sich wünscht und was er selbst bieten kann, minimiert damit das Risiko, einen Menschen zu treffen, mit dem er sich nicht versteht.
- Wer online sucht, hat nichts zu verlieren. Anders als beim zufälligen Kennenlernen sind die Intentionen klar. Es besteht keine Notwendigkeit, sich dem Thema Beziehung oder Partnerwunsch vorsichtig und über Umwege zu nähern, um zu prüfen, ob der andere ebenfalls auf der Suche nach Liebe ist.
- Das Netz bietet geschützte Kommunikationsräume, in denen Menschen, die sich persönlich noch nicht kennen, viel gemeinsame Zeit verbringen können – ungestört von Außeneinflüssen wie etwa dem Lärm in einer Disko, Reisewegen, Öffnungszeiten und dem Wetter.
- Jeder kann selbst entscheiden, ob, wann und in welchem Umfang Alltagsroutinen thematisiert werden. Wer will, kann sich über die üblichen Abläufe eines Kennenlerngesprächs hinwegsetzen und sofort über persönliche oder sogar intime Dinge reden, um den potenziellen Partner schneller und besser einschätzen zu können.
- Die meisten Menschen fühlen sich bei der Kommunikation mit Fremden freier und sicherer, wenn der andere nicht körperlich im selben Raum anwesend ist. So bestimmt man selbst, was und wie viel man preisgibt. Man muss beispielsweise nicht darauf achten, sein „Sonntagsgesicht“ zu zeigen oder sich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Vielen fällt es so viel leichter, sich im Gespräch zu öffnen, einer guten Stimmung hinzugeben und das Innere und Gemeinsame intensiver wahrzunehmen.
Interessant ist, dass Capiocco zudem glaubt, dass auch die sogenannten Matching-Algorithmen der Online-Partnervermittlungen für mehr Glück und Haltbarkeit bei dort gestifteten Partnerschaften sorgen. Denn das lässt sich durch Zahlen nicht belegen: Viele Plattformen im Netz, auf denen sich Menschen treffen und verlieben, haben keine derartigen Algorithmen. Trotzdem sind die dadurch entstandenen Beziehungen oder Ehen statistisch gesehen nicht weniger glücklich oder stabil als die von Paaren, die sich durch eine professionelle Partnervermittlungen gefunden haben.
Was die Haltbarkeit von Online-Partnerschaften angeht, gibt es inzwischen Zahlen, die belegen, dass das Risiko einer frühen Trennung oder Scheidung (vor dem „verflixten“ siebten Jahr) bei Paaren, die sich im Internet kennengelernt haben, niedriger ist – zumindest in den USA. In Deutschland liegt die Scheidungsrate in den Großstädten, wo die digitale Aktivität am höchsten ist, mit bis zu 50 Prozent deutlich höher als in Gebieten, in denen sich Menschen nach wie vor überwiegend im „echten Leben“ treffen und verlieben.
Optimierung der Partnersuche: Von der Schwierigkeit, das Glück zu optimieren
Der Begriff „Optimierung“ wird schon seit Längerem fast wie ein Zauberwort benutzt. Oft wird er synonym zur Perfektionierung genutzt: Wer etwas optimiert (zum Beispiel sich selbst), macht es besser – mit dem Ziel, es perfekt zu machen. Tatsächlich ist Perfektion ein sehr unklarer Begriff, wenn es um Liebe, Glück und den Partner fürs Leben geht. Und das Wort „optimal“ ist im Grunde wertungsfrei, da es vorrangig bedeutet, mit den vorhandenen Mitteln das Best- oder Meistmögliche zu erreichen, gemessen an höchst individuellen Zielen und Vorgaben.
Schon an der hohen (und steigenden) Zahl der Singles lässt sich erkennen, dass weder die vielberufene Freiheit im Internet noch die vielfältigen Möglichkeiten zur Optimierung der Partnersuche Garanten für einen Glückstreffer oder dauerhaftes Glück in der Liebe sind. Den Suchenden wird zwar suggeriert, sie könnten den Weg dahin durch klare Ansagen, Ausschlüsse und andere Verhaltensweisen vorhersehbarer machen oder sogar selbstbestimmt festlegen, doch entsprechende Erfolgsgarantien oder Königswege gibt es im Netz ebenso wenig wie bei herkömmlichen Offline-Begegnungen.
Ein Grund dafür ist, dass viele, die über das Internet ihren Traumpartner suchen, vorher für sich allein nach einer Art Baukastenprinzip ihre Wunschbeziehung konstruieren. Das schafft einerseits eine hohe Erwartungshaltung nach dem Motto „Der Wunschzettel ist geschrieben, jetzt ist der Weihnachtsmann dran“. Andererseits verlockt es dazu, sich nur damit zu beschäftigen, was man gerade will, aber nicht damit, was man auf Dauer braucht.
Zudem lassen sich viele verleiten, gerade im Netz die Partnersuche im „Trial and Error“-Verfahren anzugehen. Viele potenzielle Partner werden in die engere Wahl gezogen und im Chat bzw. beim persönlichen Treffen begutachtet und „ausprobiert“. Wer nicht auf Anhieb ideal passt und Schmetterlinge in den Bauch zaubert, fällt durch das Wunschraster, und das Suchen und Bieten an der Singlebörse beginnt von neuem.
Singlebörse als „Partnermarkt“ – hohe Erwartungen und Unverbindlichkeit
Vor allem routinierte Online-Sucher und Menschen, die für ihre Mitgliedschaft bei der Partnervermittlung bezahlen, laufen Gefahr, den Begriff des „Partnermarktes“ zu wörtlich zu nehmen und die Angebote zu sondieren wie zahlende Kunden mit hohen Ansprüchen und Rückgaberecht. Wer schon seit Jahren im Netz unterwegs ist, die große Liebe aber immer noch nicht gefunden hat, bekommt logischerweise auch Zweifel: Hieß es nicht, dass hier jeder, der richtig sucht, auch fündig wird? Ist das Angebot vielleicht doch nicht so gut, wie mir versprochen wurde? Oder stimmt vielleicht mit mir etwas nicht? Wo besteht noch Optimierungsbedarf, damit es endlich klappt mit der Liebe?
Überzogene Erwartungen an den Partner und/oder an sich selbst stellen immer ein Problem in Liebesangelegenheiten dar. Daher werden sie auch in der Praxis der Eheberatung, Paarberatung und Paartherapie häufig thematisiert. Paare, die sich schon länger persönlich kennen, teilen dem Eheberater bzw. Therapeuten meist anhand von Beispielen aus dem gemeinsamen Alltag und konkreten Verhaltensweisen mit, wie Erwartung, Erfüllungsdruck und Enttäuschung sich in der Partnerschaft anfühlen und äußern. Wer sich hingegen seinen zukünftigen Partner schon sehr gut ausgemalt hat, ihn aber noch nicht kennt, hat keinen greifbaren Bezugspunkt außer sich selbst.
Glück in der Partnerschaft ist keine Momentaufnahme
Konflikte in der Beziehung oder Ehe lassen sich auch durch eine durchorganisierte Partnersuche im Internet nicht nennenswert vermindern oder gar ausschließen. Auch das Glück und die Dauer einer Partnerschaft hängen weit weniger von Art und Ort ihres Zustandekommens ab als von den Gesamtumständen und dem Engagement beider Partner über einen gewissen Zeitverlauf. Das wissen nicht nur Eheberater, Psychologen und Verhaltensforscher, sondern im Grunde wissen wir es alle. Denn unsere gesamte Welt ist veränderlich, und das betrifft auch unsere Gefühle, Wünsche und Träume. Wer sich also nach Beständigkeit in der Liebe sehnt, muss nicht nur offen für das Glück sein, sondern auch bereit, sich dauerhaft dafür zu engagieren.
In guten Zeiten bedeutet das, sein Glück gemeinsam mit dem Partner zu genießen, auszuleben und auszubauen. In Krisenzeiten kann es aber auch Arbeit bedeuten, das Glück festzuhalten oder zurückzubringen, wenn es verloren scheint. Doch diese Arbeit lohnt sich: Jeder Konflikt, den ein Paar allein oder mit Hilfe einer Eheberatung bzw. Paartherapie überwindet, stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Überzeugung, auch in schwierigen Zeiten zusammen bestehen und sich auf den anderen verlassen zu können.