Beziehung & Narzissmus: Ist mein Partner ein Narzisst?

Fühlen Sie sich von Ihrem Partner kontrolliert, manipuliert oder emotional missbraucht? Narzissmus in der Beziehung kann viele Formen annehmen und sich schleichend ausbreiten.

Was ist Narzissmus?

Narzissmus ist ein Konzept, das sowohl in der Psychologie als auch im Alltag eine Rolle spielt. Der Begriff stammt aus der griechischen Mythologie. 

Dort gibt es die Geschichte von Narziss, einem sehr schönen jungen Mann. Er verliebte sich so sehr in sein eigenes Spiegelbild im Wasser, dass er darin ertrank. Diese Geschichte führte dazu, dass übermäßige Selbstliebe und Selbstbezogenheit als Narzissmus bezeichnet werden.

In der modernen Psychologie beschreibt Narzissmus verschiedene Merkmale und Ausprägungen. Nicht jeder, der narzisstische Züge hat, leidet an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) oder einer anderen ernsthaften Störung. Menschen mit narzisstischem Denken oder Verhalten haben jedoch ein höheres Risiko, dass sich daraus eine behandlungsbedürftige Störung entwickelt.

Auch „Alltagsnarzissmus“ kann zu Konflikten führen. Menschen streiten oft darüber, wer im Recht ist oder wessen Bedürfnisse wichtiger sind. Bei starker Ausprägung kann Narzissmus zu toxischen Beziehungen führen, die Gewalt, Leid oder gefährliche Abhängigkeiten beinhalten. Oft scheitern Partnerschaften an narzisstischem Verhalten wie Untreue oder wiederholtem Fremdgehen.

Narzissmus erkennen: Merkmale und Verhaltensweisen von Narzissten

Hier sind einige Anzeichen, durch die man einen Narzissten erkennen kann:

  1. Egomanie und Dominanz: Narzissten stellen oft ihre eigenen Bedürfnisse und Meinungen über die ihrer Partner. Sie haben Schwierigkeiten, Kompromisse einzugehen und wollen die Beziehung nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten.
  2. Mangel an Empathie: Narzissten tun sich schwer damit, sich in die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Partner hineinzuversetzen. Das kann zu einem Mangel an Verständnis und emotionaler Distanz führen.
  3. Sucht nach Bewunderung: Narzissten benötigen häufig ständige Bewunderung und Bestätigung. Fehlt diese, können sie frustriert oder enttäuscht sein, was Spannungen in der Beziehung verursachen kann.
  4. Manipulation: Narzissten neigen dazu, ihre Partner zu manipulieren, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dies kann zu ungesunden Beziehungsmustern und Konflikten führen.
  5. Instabile Beziehungen: Beziehungen mit Narzissten können oft instabil sein, da sie häufig zwischen Phasen der Idealisierung und Entwertung wechseln.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder, der diese Merkmale zeigt, an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet. Narzissmus kann in unterschiedlichem Maße auftreten, und die Dynamik der Beziehung sollte individuell betrachtet werden

Unterschiede zwischen Alltagsnarzissmus und narzisstischer Persönlichkeitsstörung

Gesunder Narzissmus ist eine Form der Selbstachtung und ein positives Selbstwertgefühl, das für die persönliche Entwicklung wichtig ist. Alltagsnarzissmus zeigt sich in einem normalen Maß an Selbstbewusstsein und dem Streben nach Anerkennung, etwa wenn jemand stolz auf eine Leistung ist oder auch mal „angeben“ möchte. Solche Verhaltensweisen gelten als normal und sind nicht problematisch.

Pathologischer Narzissmus oder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) geht jedoch weit über gesunde Selbstachtung hinaus. Diese Störung ist durch ein extremes Bedürfnis nach Bewunderung, Fantasien von Macht und Erfolg, fehlende Empathie und ein übertriebenes Gefühl der eigenen Wichtigkeit gekennzeichnet. 

Menschen mit NPS neigen dazu, andere auszunutzen und wenig Rücksicht auf deren Bedürfnisse und Gefühle zu nehmen. Dies führt oft zu erheblichen Problemen in ihren Beziehungen. Typisch für NPS sind Verhaltensweisen wie ständige Selbstüberhöhung, Abwertung anderer, Manipulation und ein Mangel an Mitgefühl. 

Solche Merkmale sind nicht nur intensiver und dauerhafter als beim Alltagsnarzissmus, sondern beeinträchtigen auch das Wohlbefinden der Betroffenen und ihrer Partner stark. Beispiele dafür sind das Ignorieren oder Verspotten von Leid und Schmerz anderer, um das eigene Ego zu stärken.

Wenn narzisstische Merkmale das tägliche Leben und die Beziehungen stark beeinträchtigen, kann das ein Hinweis auf NPS sein. Eine ärztliche Diagnose und Therapie können Betroffenen helfen, mit der Störung umzugehen. Auch Paartherapie kann sinnvoll sein, um destruktive Verhaltensmuster zu erkennen und neue Kommunikationsstrategien zu entwickeln. NPS ist nicht heilbar, und Medikamente werden nur bei gleichzeitig vorhandenen Erkrankungen wie Depressionen verschrieben.

Doch auch andere psychische Störungen wie die schizoide Persönlichkeitsstörung, Depressionen, Burn-out und Suchterkrankungen, sowie ungelöste Konflikte und Kindheitstraumata können zu einem Mangel an Empathie führen. Solche Umstände können Menschen emotional verhärten und das Mitgefühl für andere reduzieren.

Offener und verdeckter Narzissmus – Unterschiede und typische Verhaltensweisen

Offener Narzissmus ist meist sehr auffällig und dominant. Verdeckter Narzissmus hingegen zeigt sich subtiler. Deshalb wird offener Narzissmus auch als „grandioser“ und verdeckter als „vulnerabler“ oder „fragiler“ Narzissmus bezeichnet.

Menschen mit offenem oder grandiosem Narzissmus sind leicht zu erkennen. Offen narzisstische Verhaltensweisen umfassen mangelndes Mitgefühl, Selbstlob und die Abwertung anderer. 

Sie wollen im Mittelpunkt stehen und suchen ständig nach Bewunderung und Anerkennung. In Gesprächen verhalten sie sich oft arrogant, überlegen und manipulativ. Das zeigt sich nicht nur in Liebesbeziehungen, bei Freunden und Kollegen, sondern auch bei Fremden, etwa in einer Beratung oder beim Paartherapeuten.

Verdeckter oder vulnerabler Narzissmus äußert sich anders. Menschen mit dieser Form des Narzissmus wirken oft schüchtern und unsicher. Sie neigen dazu, sich als Opfer zu sehen und suchen Aufmerksamkeit durch Selbstmitleid. Dies zeigt sich in trotzigem Verhalten, ständigen Beschwerden und dem Gefühl, ungerecht behandelt zu werden.

Insgesamt ist vulnerabler Narzissmus schwerer zu erkennen. So kann das Helfen anderer zunächst wie Empathie wirken, aber oft steckt der Wunsch dahinter, Anerkennung zu gewinnen oder andere herabzusetzen: „Ich helfe gern, auch wenn ich selbst größere Probleme habe!“

Hat mein Partner grandiosen oder verdeckten Narzissmus?

Die Grenzen zwischen normalem und krankhaftem, offenem und verdecktem Narzissmus sind oft nicht klar zu ziehen. Narzissmus kann nicht einfach gemessen oder in eine Kategorie gesteckt werden. 

Er hat viele Facetten und kann sich von Person zu Person stark unterscheiden. Grandioser und vulnerabler Narzissmus treten oft gleichzeitig auf und können sich je nach Lebensphase und Situation abwechseln.

Viele Narzissten zeigen sowohl grandiose als auch vulnerable Merkmale, die je nach Situation offen oder verdeckt zum Vorschein kommen. In einer Paartherapie ist es daher wenig sinnvoll, jemanden in eine bestimmte Kategorie einzuordnen. 

Beide Partner sollten herausfinden, ob und wie sie ihre Beziehung weiterführen möchten. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, die für beide Seiten akzeptabel sind – etwa durch mehr Selbsterkenntnis, realistischere Selbst- und Fremdeinschätzung, Empathieübungen und eine neue Art der Kommunikation.

Gibt es weiblichen und männlichen Narzissmus?

In der populärwissenschaftlichen Diskussion wird manchmal zwischen weiblichem und männlichem Narzissmus unterschieden. Dabei wird angenommen, dass der vulnerable Narzissmus eher weiblicher Narzissmus sei, während der grandiose Narzissmus häufiger bei Männern vorkomme.

Es gibt jedoch keine Studien, die diese Annahme bestätigen. Außerdem tragen die meisten Narzissten, wie bereits erwähnt, sowohl grandiose als auch vulnerable Eigenschaften in sich.

Dynamik in narzisstischen Beziehungen: Co-Narzissmus, Abhängigkeit, Kontrolle

Die Begriffe Co-Narzissmus oder Komplementär-Narzissmus beschreiben Verhaltensweisen und Dynamiken in Beziehungen, in denen eine Person narzisstische Merkmale (Narzisst) und die andere Person co-abhängige Merkmale (Codependent) zeigt. Co-Narzissmus ist dabei kein offizieller psychologischer Begriff, sondern wird eher informell verwendet, um eine komplexe Beziehungsdynamik zu erklären.

Die Person mit narzisstischen Merkmalen hat oft ein überhöhtes Selbstwertgefühl und zeigt wenig Empathie. Der Co-Narzisst hingegen konzentriert sich stark darauf, die Bedürfnisse und Wünsche des Narzissten zu erfüllen. 

Viele Co-Abhängige fühlen sich verantwortlich für das Glück des Partners mit narzisstischer Störung. Deshalb geben sie sich große Mühe, deren (viel zu) hohen Ansprüche zu erfüllen. Dafür stellen sie ihre eigenen Bedürfnisse zurück und übersehen ihre Grenzen. 

In einer Co-Narzissmus-Beziehung sind die Beteiligten und ihre Gefühle also auf ungesunde, zerstörerische Weise miteinander verstrickt: Der Narzisst nutzt die Abhängigkeit des Co-Narzissten aus, um seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Der Co-Abhängige wiederum will den Narzissten beruhigen, kontrollieren oder ihm aus seiner „inneren Einsamkeit“ helfen, die der Narzisst selbst meist gar nicht so empfindet.

Narzissmus in Beziehung: Emotionale und psychologische Folgen für den Partner

In Co-Narzissmus-Beziehungen gibt es viele Warnzeichen oder „Red Flags“, die oft lange unbemerkt bleiben. Solche Beziehungen können ohne professionelle Hilfe sehr toxisch werden.

Eine groß angelegte Untersuchung von Day und Kollegen aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass die Belastung Angehöriger von Narzissten deutlich höher ist als die von Personen, die sich um Menschen mit anderen Borderline-Persönlichkeits-, Stimmungs-, neurotischen oder psychotischen Störungen kümmern.

Ist die Belastung zu hoch, können Partner von Narzissten krank werden. So berichteten viele Betroffene aus eben genannter Studie davon, unter Depressionen und Angststörungen zu leiden. Betroffene leiden zudem unter körperlichen Beschwerden wie ständiger Müdigkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Heißhunger, Schlafproblemen und Albträumen.

Anzeichen und Warnsignale von Narzissmus in der Beziehung: Erkennen von narzisstischem Verhalten und typische Muster

Partnerschaften mit (stark) ausgeprägtem oder pathologischem Narzissmus sind oft durch problematische Muster geprägt. Diese Muster reichen von einem Ungleichgewicht der Bedürfnisse und einem Mangel an Empathie bis hin zu emotionalem Missbrauch, manipulativem Verhalten und Bestrafung.

Manipulation: Narzissten kontrollieren ihre Partner oft durch subtile oder offensichtliche Manipulation, um ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Mögliche Folge: Der Partner tut Dinge, die er normalerweise nicht getan hätte.

Gaslighting: Narzissten untergraben das Selbstbewusstsein ihrer Partner, indem sie deren Realität infrage stellen, Zweifel säen und die Schuld auf sie abwälzen. Mögliche Folge: Der Partner beginnt, an seiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln.

Lügen: Narzissten verdrehen oder leugnen oft die Wahrheit, um ihr eigenes Selbstbild zu schützen. Mögliche Folge: Der Partner verliert das Vertrauen.

Machtausübung: Narzissten zeigen oft dominantes Verhalten, um die Kontrolle in der Beziehung zu behalten und den Partner zu unterdrücken. Mögliche Folge: Das Selbstwertgefühl des Partners wird geschwächt.

Vorteilsnahme: Narzissten nutzen Beziehungen oft für ihren eigenen Gewinn, ohne auf die Bedürfnisse des Partners Rücksicht zu nehmen. Mögliche Folge: Emotionale und möglicherweise auch finanzielle Nachteile für den Partner.

Fremdgehen: Ein Narzisst kann aufgrund seines ständigen Bedürfnisses nach Bewunderung und neuen Reizen untreu sein. Mögliche Folge: Misstrauen und Vertrauensverlust beim Partner.

Sanktionen: Narzissten reagieren oft mit emotionalem Entzug oder Bestrafungen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, um ihre Kontrolle zu bewahren. Mögliche Folge: Der Partner fühlt sich hilflos und verzweifelt, was zu schwerwiegenden psychischen Problemen führen kann.

Wann wegen Narzissmus in der Beziehung professionelle Hilfe gesucht werden sollte und wie sie helfen kann

Wenn Sie sich in einer Co-Narzissmus-Beziehung emotional abhängig und gefangen fühlen, kann ein Therapeut oder Psychologe Ihnen helfen. Das gilt auch, wenn Sie mit Ihren eigenen narzisstischen Gedanken oder Verhaltensweisen kämpfen und lernen möchten, in Ihrer Partnerschaft empathischer, engagierter oder konstruktiver zu sein.

Eine Paartherapie kann Ihnen helfen, schädliche Muster in Ihrer Beziehung zu erkennen und gesündere Kommunikations- und Beziehungsstrategien zu entwickeln. Sie müssen nicht unbedingt mit Ihrem Partner kommen; oft ist es sinnvoll, mit Einzelgesprächen zu beginnen oder Einzel- und Paarsitzungen zu kombinieren. 

Eine Paartherapie ist besonders sinnvoll, wenn beide Partner die Beziehung fortführen möchten und die Liebe noch lebendig ist. Manchmal kann die Therapie jedoch auch zeigen, dass eine Trennung die beste Lösung wäre, oder sie kann dabei helfen, eine möglichst friedliche, einvernehmliche Trennung zu erreichen.

Wer einen narzisstischen Partner hat und die Beziehung fortführen will, braucht viel Kraft und muss lernen, sich gut abzugrenzen. Narzissten können lernen, wichtige Menschen besser einzubeziehen und zu behandeln, auch wenn es nicht automatisch durch natürliche Empathie geschieht. 

Selbstverantwortung ist entscheidend für Selbsterkenntnis, Selbstwertgefühl und Selbstschutz. Der Anruf bei einer Paartherapeutin oder die Entscheidung zur Partnertherapie können erste Schritte zu einem selbstbestimmteren Leben, einer glücklicheren Partnerschaft oder der Rettung Ihrer Ehe sein.

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Paartherapie Aachen 

Zuletzt überarbeitet: 15.09.2024

 

Quelle:

Day, N. J. S., Bourke, M. E., Townsend, M. L., & Grenyer, B. F. S. (2020). Pathological Narcissism: A Study of Burden on Partners and Family. Journal of personality disorders, 34(6), 799–813. https://doi.org/10.1521/pedi_2019_33_413