Wichtiger Hinweis:
Ich bin keine Sexualtherapeutin, daher dient dieser Artikel nur Ihrer Information.
Sexualität in Ehe und Partnerschaft: Sexprobleme werden oft falsch eingeschätzt
Sex wird gern als schönste Sache der Welt bezeichnet. Doch in vielen Ehen und Partnerschaften ist er die Hauptursache für Konflikte. Sexprobleme können akut oder chronisch sein. Sehr oft sind sie lösbar, doch ist es nicht immer einfach, den richtigen Lösungsansatz zu finden. Denn obwohl (oder gerade weil) Sex im Alltag und in den Medien allgegenwärtig ist, gehört er in vielen Beziehungen zu den heikelsten Gesprächsthemen.
Probleme im Bett werden häufig verschwiegen oder tabuisiert – vor allem gegenüber dem festen Partner, der doch eigentlich der erste Ansprechpartner dafür sein sollte. Ebenso oft erzählen Paare in der Eheberatung oder Paartherapie, das dauernde Reden bzw. Diskutieren über Sexprobleme habe die Konflikte noch weiter verschlimmert und für noch mehr Druck, Stress oder Frust im Bett gesorgt.
Tatsächlich kann man Sex sowohl totschweigen als auch totreden. Doch wenn sowohl das Schweigen als auch das Reden mit hohen Risiken verbunden ist: Was können Paare denn dann unternehmen, wenn im Bett nicht alles nach Wunsch oder Plan verläuft? Und wie kommen sie aus Sexproblemen wieder heraus, die sich über lange Zeit hinweg eingeschlichen oder festgefahren haben?
Sexprobleme mit dem Eheberater besprechen – mit oder ohne Partner?
In einer Eheberatung, Paarberatung oder Partnertherapie kann grundsätzlich jedes Problem an- und ausgesprochen werden. Offenheit ist sehr wichtig, wenn es um positive Veränderungen geht. Doch gerade beim Thema Sex bedeutet Offenheit oft auch, über einen besonders großen und dunklen Schatten springen zu müssen. Viele haben Angst davor, in Gegenwart des Partners auszusprechen, was sie bisher verschwiegen haben, oder zuzugeben, was sonst immer abgestritten wurde. Hier ist die Schamgrenze verständlicherweise besonders hoch – und es ist eine große Herausforderung, sie zu überwinden.
Die Vorstellung, dass bei einem offenen Gespräch außer dem Partner noch der Eheberater oder Therapeut mit am Tisch sitzt, kann motivierend und tröstlich wirken. Viele Betroffene wünschen sich jedoch, dass der Partner gar nicht dabei ist – zumindest nicht beim ersten Gespräch, vielleicht auch bei gar keinem. Das ist aus Sicht des Eheberaters kein Problem und auch kein Hinderungsgrund. Denn Ehe- bzw. Paarberatung und Partnertherapie sind nicht nur Angebote für Paare, die gemeinsam hingehen, oder Menschen, die in einer festen Partnerschaft leben. Jeder, der sich in Liebesdingen Rat und Hilfe wünscht oder nicht mehr weiter weiß, kann davon profitieren.
Bei einer Eheberatung oder Paarberatung gibt es keinen Masterplan. Stattdessen stehen immer ganz persönliche Probleme und individuelle Lösungsansätze im Vordergrund. Wichtig ist vor allem der Mut zum ersten Schritt. Ist der erst einmal getan, können sich daraus viele verschiedene Optionen zur Veränderung und Verbesserung ergeben. Wer diesen Weg gehen möchte, aber noch nicht weiß, ob und wie der Partner mit einbezogen werden kann, hat jederzeit die Möglichkeit, sich erst einmal alleine beraten zu lassen. Dabei können viele wichtige Fragen angesprochen werden, und Tabuthemen gibt es nicht.
Die häufigsten Sexprobleme in Ehe und Partnerschaft
Kleinere oder größere Schlafzimmerprobleme gibt es in nahezu jeder Beziehung. Zu wissen, dass man damit nicht alleine ist, kann es leichter machen – doch besser wird es dadurch nicht. Bei verschiedenen Studien wurden nicht nur persönlich Betroffene, sondern auch Eheberater, Psychologen, Partner- und Sexualtherapeuten zu ihren Erfahrungen aus Alltag und Praxis befragt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die folgenden Sexprobleme besonders häufig zu Ehekrisen und Beziehungsfrust führen:
1. Ein Partner will deutlich öfter Sex als der andere
Es ist ein altes Lied mit vielen Strophen: Ein Partner will Sex, der andere nicht. Ist es regelmäßig die gleiche Konstellation, ist der Frust auf beiden Seiten vorprogrammiert. Eine unterschiedlich stark ausgeprägte Libido kann vorübergehende Ursachen haben, zum Beispiel hormonelle Schwankungen, private und berufliche Stressfaktoren, Krankheit oder Geldsorgen. Sie kann aber auch veranlagungsbedingt sein. Oft ist das in der heißen Zeit am Anfang der Beziehung noch kein erkennbares Problem, doch im Lauf der Zeit wird es immer deutlicher fühlbar und immer schwerer zu verbergen.
2. Für guten Sex ist nicht genug Zeit
Schlechtes Zeitmanagement und Organisationsprobleme: Das klingt eher nach Business als nach Liebe und Leidenschaft. Tatsächlich klagen jedoch viele Paare darüber, dass ihre Zeit für regelmäßigen oder erfüllenden Sex nicht ausreicht. Das kann natürlich ein vorgeschobenes Argument sein, das von den tieferliegenden Ursachen des Lustmangels ablenken oder sie herunterspielen soll. Doch auch dann ist diese Begründung ernst zu nehmen – denn von hier muss man ausgehen, wenn man dem Problem auf den wahren Grund gehen möchte.
3. Körperliche Beschwerden stehen der Lust im Weg
Wer sich körperlich nicht wohl fühlt, tut sich schwerer damit, sexuelle Lust zu empfinden. Wenn ein Partner ernsthaft krank ist oder akute Schmerzen hat, ist das ein klarer Grund für weniger Lust, häufige oder längere Sexpausen. Doch der Fall kann auch anders herum liegen: Körperliche Beschwerden und sogar klinische Krankheitsbilder können sich auch aus unerfüllten Bedürfnissen, akuten oder schwelenden Konflikten in der Beziehung entwickeln. Die Palette reicht von Kopfschmerzen, Verspannungen und Verdauungsbeschwerden bis hin zu Essstörungen, Schlaflosigkeit, Erschöpfungszuständen und Herz-Kreislauf-Problemen.
Der Körper kann auf verschiedenste Art unbewusste oder halb bewusste Gefühle ausdrücken – zum Beispiel sexuelle Über- oder Unterforderung, Angst, Wut, Scham, Ekel oder Langeweile. So etwas „nagt an einem“, „frisst sich ein“ oder „sitzt in den Knochen“ – Redewendungen wie diese zeigen, dass Körper und Seele, Innen und Außen sich eben niemals voneinander trennen lassen.
4. Erektions- und Orgasmusprobleme
Schwierigkeiten mit der Erektion oder dem Orgasmus sind fast immer psychologischer Natur. Nur äußerst selten gibt es dafür medizinische Gründe. Zu den häufigsten Ursachen gehören hier Stress, Hektik, Druck sowie Leistungs- und Versagensängste. Da diese Faktoren einander bedingen und begünstigen, kann sich die Situation immer weiter aufschaukeln. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung führt die Angst zum Versagen und das Versagen zu noch mehr Angst vor dem nächsten Mal – und immer so fort, bis sich die Sexprobleme gewissermaßen verselbstständigt haben.
5. Nachlassende Lust
Dass die Lust im Lauf einer langen Beziehung und mit zunehmendem Alter nachlässt oder sich zumindest verändert, ist normal. Schwierig wird es, wenn ein Partner davon viel stärker betroffen ist als der andere – oder wenn einer den anderen tatsächlich gar nicht mehr sexy findet. Hier kann es ein guter Weg sein, die gemeinsame Sexualität neu zu entdecken oder neu zu definieren, damit beide wieder auf ihre Kosten kommen. Doch das Feuer lässt sich nur dann von neuem anfachen, wenn zumindest die Glut noch vorhanden ist.
Es gibt auch Paare, die gar keinen Sex mehr haben und erklären, es fehle ihnen nichts. Das ist jedoch sehr selten. Die meisten Menschen wünschen sich auch in fortgeschrittenem Alter eine gemeinsame und erfüllende Erotik – ganz ohne zu leben macht in der Regel nicht glücklich.
6. Untreue oder Seitensprung
Fremdgehen gehört zu den häufigsten Lustkillern. Denn Sex hat sehr viel mit Vertrauen zu tun, und wenn das erschüttert oder zerstört ist, schlägt das empfindlich auf die Libido. Natürlich kann das umgekehrt genauso gelten: Wer in seiner Ehe oder Partnerschaft ständig zu kurz kommt oder abgewiesen wird, neigt eher zur Untreue bzw. sucht außerhalb seiner Beziehung nach Bestätigung und Erfüllung.
Je nachdem, wie stabil die Grundfesten der Partnerschaft sind und welche Vorgeschichte das Fremdgehen hat, kann der Seitensprung das Ende der Liebe bedeuten oder neue Chancen für die Beziehung bieten. Es gibt Paare, die dadurch erst gelernt haben, richtig aufeinander einzugehen und zu ihren Bedürfnissen zu stehen. Doch darauf sollte man es nie ankommen lassen – denn sexuelle Untreue und der damit verbundene Vertrauens- und Wertverlust gehören zu den häufigsten Trennungs- und Scheidungsgründen.
7. Zu wenig Nähe und Intimität
Sexuelle Erfüllung hängt zu einem nicht unerheblichen Teil von der Technik ab. Doch der rein pragmatische Ansatz ist noch kein Garant für guten Sex. Sowohl Frauen als auch Männer wünschen sich dabei Liebe, Nähe und Zärtlichkeit. Tiefere Gefühle und innige Verbundenheit ergänzen das rein körperliche Lustempfinden und gehen darüber hinaus. Dieser Aspekt der Sexualität ist sehr menschlich und darf nicht vernachlässigt werden. Kommt er zu kurz, erzeugt das auf Dauer negative Empfindungen, etwa innere Leere, Trauer, Verachtung oder das Gefühl, ausgenutzt und nicht als Ganzes angenommen und respektiert zu werden.
Erste Hilfe bei Sexproblemen
Es gibt jede Menge gängiger Lösungsvorschläge für Paare, die Probleme im Bett haben. Mal was Neues ausprobieren, sich mehr Zeit füreinander nehmen, Bedürfnisse offen aussprechen, Wünsche erfüllen, dem Partner zeigen, wie man es am liebsten mag, erotisch kochen, das Schlafzimmer umdekorieren … ganze Bücher wurden schon darüber geschrieben und täglich werden es mehr.
Unterm Strich gibt es aber keine Lösung von der Stange. Jedes Paar muss gemeinsam herausfinden, welche Wege ihm zur Verfügung stehen und welche Ideen sich im Alltag praktisch umsetzen lassen. Bei festgefahrenen Situationen mit hohem Druck und starker Stressbelastung ist es oft hilfreich, eine bewusste Sexpause einzulegen. Dabei vereinbaren die Partner, für eine bestimmte Zeit keinen Sex zu haben bzw. der Erotik zu entsagen. Zärtlichkeit, Nähe und Wärme sind natürlich erlaubt – aber nur oberhalb der Gürtellinie.
Stress oder Frust im Bett werden oft als dauernder Handlungszwang empfunden, der wiederum zu Trotz- und Verweigerungshaltung führt. Durch die selbstauferlegte Askese wird der Druck aus der Situation herausgenommen. Jedem wird „sein Körper zurückgegeben“ – und das kann eine sehr intensive Erfahrung sein. Denn der Grad an Fremdbestimmung in einer Zweierbeziehung wird oft falsch eingeschätzt, ebenso wie die Bedeutung von Sex und Erotik.
Gerade bei Problemen im Bett kreist das Denken oft viel zu stark um Sex, um ihn wirklich noch entspannt genießen zu können. Eine klar vereinbarte Sexpause schafft Freiraum, den man nicht durch Rechtfertigungen, Ausreden etc. erkämpfen oder erschleichen muss. Plötzlich ist Zeit zum Atemholen, zum Ausruhen, für die (Rück-)Besinnung. Die überspannten Nerven können sich beruhigen, und viele Fehleinschätzungen relativieren sich automatisch, wenn man sich selbst, den Partner und die „Qualität“ der Liebe eine Zeit lang nicht über sexuelle Aspekte definieren kann.
Diese Intervention ist eine bewährte Erste-Hilfe-Maßnahme bei Sexproblemen, die jedes Paar ausprobieren kann. Denn dadurch entsteht eine wirklich spannende Situation, in der sich auch ohne ausgeklügelte Strategien oder Pläne fast immer frische Neugier und neue Lust entwickeln.