Singledasein beenden? Die "Singlegesellschaft" aus Sicht moderner Paarberatung

In Deutschland gibt es immer mehr alleinstehende Menschen. Deswegen reden manche Psychologen bereits von einer „Singlegesellschaft“. Für die vielen Singles, die sich nach Nähe, Zweisamkeit und einer festen Partnerschaft sehnen, ist es jedoch höchstens ein geringer Trost, dass sie mit ihren Sehnsüchten nicht alleine sind. Und so mancher, der auch 2014 nicht die erhoffte Liebe gefunden hat, fragt sich, woran das gelegen haben könnte – und welche Möglichkeiten es gäbe, im neuen Jahr seine Chancen bei der Partnersuche zu verbessern und das Singledasein endlich hinter sich zu lassen.

Nicht selten fragen Singles einen Eheberater oder Partnertherapeuten um Rat. Auch in meiner Praxis sind nicht nur Paare willkommen, sondern alle Menschen, die mehr über sich, ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten erfahren möchten, um an ihrer persönlichen Entwicklung und damit auch an ihrem künftigen Liebesglück aktiver mitschmieden zu können.

Oft geht es vor allem darum, die eigenen Ansprüche und Erwartungen genauer unter die Lupe zu nehmen und selbstkritisch zu hinterfragen. Denn viele Singles stehen sich bei der Suche nach dem geeigneten Partner selbst im Weg, ohne es richtig zu wissen.

Warum bin ich immer noch solo? – Wie Alleinstehende ihr Singledasein begründen 

In einer Gesellschaft mit immer mehr Singles bleiben natürlich auch Umfragen und Studien über die möglichen Gründe dieser Entwicklung nicht aus. Dabei liegt es nahe, die Betroffenen direkt zu fragen, wie sie sich selbst und ihre aktuelle Situation einschätzen. Woran liegt es wohl hauptsächlich, dass sie keine feste Beziehung haben oder trotz ihrer Bemühungen immer noch nicht den richtigen Partner finden?

Nach ihrer Selbsteinschätzung gefragt, führen Singles immer wieder ähnliche Gründe für ihre freiwillige oder unfreiwillige Soloexistenz an. Hier sind die zehn Argumente, die dabei am häufigsten genannt werden:

  1. Ich habe zu hohe Ansprüche und bin zu wählerisch bei der Partnersuche bzw. Partnerwahl.
  2. Ich liebe meine Unabhängigkeit und will meine Freiheit nicht verlieren.
  3. Ich habe mit meiner letzten Beziehung noch nicht abgeschlossen.
  4. Ich bin zu schüchtern bzw. zu häuslich, darum lerne ich nur schwer neue Menschen kennen.
  5. Ich bin beruflich und in der Freizeit so stark eingespannt, dass mir für die Partnersuche keine Zeit mehr bleibt.
  6. Mein Beruf bzw. meine Karriere ist mir im Moment wichtiger als eine feste Partnerschaft.
  7. Ich liebe zwar einen anderen Menschen, aber meine Liebe wird nicht erwidert bzw. es ergibt sich keine feste Beziehung.
  8. Ich fühle mich nicht attraktiv genug und glaube, wegen meines Aussehens keinen Partner zu finden.
  9. Andere Menschen haben Angst, sich auf eine Beziehung mit mir einzulassen, da meine Dominanz (Charakter, Erfolg, Bildung etc.) sie einschüchtert.
  10. Ich bin zu alt, um mich noch einmal zu verlieben bzw. auf dem Beziehungsmarkt Chancen zu haben.

Der erste Grund wird am häufigsten genannt: Im Schnitt hält sich rund jeder vierte Alleinstehende für zu anspruchsvoll, um einen passenden Partner oder gar die Liebe fürs Leben zu finden. Doch wie sehen zu hohe Ansprüche überhaupt aus? Gibt es ein Erkennungszeichen für Ansprüche, die über das normale Maß hinausgehen? Und welches empfehlenswerte Verhalten lässt sich daraus ableiten?

Warum ist mir keine(r) gut genug? – Die Sache mit den Ansprüchen

Je länger ein Mensch alleine ist, desto mehr Zeit hat er schon damit verbracht, über sein Alleinsein nachzudenken. Wieder und wieder kreisen die Gedanken um frühere Beziehungen, verpasste Gelegenheiten oder aktuelle Kandidaten mit ihren jeweiligen Plus- und Minuspunkten. Eingefleischte Singles haben oft lange Listen im Kopf – fix und fertig angelegt und jederzeit griffbereit. Darauf steht genau, wie der Traummann oder die Traumfrau sein sollten. Noch viel genauer steht dort meistens, was er oder sie auf keinen Fall sein, tun oder haben dürfen.

Das Problem an diesen Listen ist, dass sie für die Zukunft überhaupt nicht repräsentativ sind. Denn alle darin enthaltenen Informationen beziehen sich entweder auf vergangene Partnerschafts- oder Eheerlebnisse oder basieren auf Überlegungen, die ein Mensch für sich alleine anstellt. Es wird also statt nach vorn viel mehr nach hinten geschaut – und außerdem zu viel nach innen auf sich selbst statt nach außen und auf andere Menschen. Es ist also kein Wunder, dass solche Listen den Weg zu neuem gemeinsamem Glück nicht erleichtern, sondern eher verstellen.

Weiterhin verlocken Anspruchsdenken und das Erstellen von Wunsch- und Ausschlusslisten dazu, alle eventuell in Frage kommenden Personen anhand dieser Listen durchzugehen, um sie damit vorsortieren (oder gleich aussortieren) zu können. Dadurch verschenken diese überambitionierten Singles leider jedoch den höchsten Anspruch, den ein Mensch bei der Suche nach dem Glück haben kann: den auf glückliche Zufälle, überraschende Wendungen und unerwartete Gelegenheiten.

Die wenigsten glücklich Verliebten oder glücklich Verheirateten haben ihren Partner am inneren Reißbrett vorgefertigt oder die große Liebe exakt nach Plan gefunden. Meist war sie einfach da, als die Zeit reif war, oder kam plötzlich vorbei, als man sie gerade gar nicht gesucht hatte. Und keiner der beiden konnte bei der ersten Begegnung schon klar voraussagen, was der neue Partner bzw. die neue Beziehung mit sich bringen würden.

Es gilt also, trotz aller Überlegungen offen zu bleiben für Überraschungen und Ungeplantes. Und wer aussortieren möchte, sollte bei seinen Ansprüchen anfangen. Das hat nichts mit dem ebenfalls oft zitierten „Herunterschrauben“ dieser Ansprüche zu tun, sondern mit der Abkehr von einem Denksystem, das dazu neigt, sich im Kreis zu drehen und immer wieder vor Wände zu fahren, statt neue Türen zu öffnen.

Die Liebe braucht kein System. Wäre das anders, würde sie im Volksmund nicht mit dem Blitz, dem Feuer oder einem überspringenden Funken vergleichen, sondern viel eher mit einem elektrischen Schaltplan oder einem gut verlöteten Lichtschalter. Darum raten Psychologen und erfahrene Singleberater bzw. Paartherapeuten von zu viel Systematik bei der Partnersuche ab. Im Beziehungsalltag kann das anders werden: Hier sind individuelle Systeme, gemeinsame Organisation und natürlich auch Planung hilfreich, um neue Herausforderungen zu meistern sowie die Partnerschaft und das Zusammenleben stabil und harmonisch zu erhalten.

Warum sind manche Menschen mit 40 noch Jungfrau?

Rasch wechselnde Beziehungen, mehrere Hochzeiten und Scheidungen, kurze oder auch mal längere Singlephasen: Was noch vor wenigen Generationen die Ausnahme war, ist in der heutigen Gesellschaft schon fast normal. Dass es jedoch nicht wenige Menschen gibt, die mit 30 oder 40 Jahren noch nie eine Beziehung oder noch nie Sex hatten, ist nach wie vor ein Tabuthema. Weil viele Betroffene sich dafür schämen, ist es auch schwer, zu diesem Thema zuverlässige Zahlen zu liefern.

Laut einer Studie, die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Deutschland durchführte, sind rund 30 Prozent der über 18-Jährigen noch Jungfrau, und jeder zehnte Mann wird 30, ohne jemals Sex gehabt zu haben.

Warum manche beim Fest der Gefühle und Hormone komplett leer ausgehen, lässt sich nicht schlüssig erklären. Es gibt zwar unzählige Studien über die Spielarten der menschlichen Sexualität, aber kaum Forschung über ihr Fehlen. Fest steht lediglich, dass weder das Aussehen noch der Charakter eindeutig dafür verantwortlich gemacht werden können. Selbst Eigenschaften die von den meisten Menschen als sehr schwierig bei der Partnersuche eingestuft werden, führen nicht zwangsläufig, sondern nur manchmal zur langjährigen unfreiwilligen Jungfräulichkeit.

Zu den Faktoren, die das (Lebens-)lange Ungeküsstbleiben zumindest fördern können, gehören extreme Schüchternheit und Verschlossenheit, stark überdurchschnittliche (oder unterdurchschnittliche) Intelligenz, unrealistische Vorstellungen von Partnerschaft bzw. Wunschpartner oder auffällige Verschrobenheit (Andersartigkeit). Doch verlässliche Statistiken oder Theorien lassen sich daran nicht befestigen, denn genauso oft gibt es gar keine brauchbare Erklärung außer der, dass der Betreffende tatsächlich immer Pech hatte, vielleicht sogar jedes Mal aus einem anderen Grund. Das ist, rein mathematisch gesehen, genauso möglich, wie bei einem Würfelspiel den ganzen Abend lang nur Einsen zu würfeln.

Logischerweise leiden fast alle Betroffenen sehr unter ihrer Situation. Denn sie entbehren ja nicht nur den Sex (den sie notfalls auch kaufen könnten), sondern alles, was dazugehört: Wärme, Nähe, Verständnis, Zugehörigkeitsgefühl und die vielen anderen Freuden einer erfüllenden Zweisamkeit. Wer einmal den Zug verpasst hat, tut sich mit der Zeit immer schwerer damit, noch aufzuspringen. Mut, (Selbst-)Vertrauen und Motivation schwinden, und auch das Verständnis der Mitmenschen lässt nach.

Bezeichnungen wie „Hagestolz“ oder „alte Jungfer“, schräge Blicke, Getuschel hinter der vorgehaltenen Hand, demonstratives Mitleid oder vermeintlich nützliche Ratschläge tragen wenig dazu bei, das Leid zu mildern oder diese schwierige Lage zu erleichtern. Oft hilft nur psychologische bzw. therapeutische Hilfe, um den Teufelskreis zu durchbrechen und die bestmöglichen Bedingungen für einen Neustart zu erarbeiten.

Warum Singlebörsen oft mehr versprechen, als sie halten können

Im Internet stehen heute eine Vielzahl von Plattformen zur Verfügung, die es Singles erleichtern sollen, den richtigen Partner zu finden. Über Singlebörsen, besondere Chatrooms, Online-Datingcafés oder Internet-Partnervermittlungen können sich Menschen jeden Alters und aus allen Bundesländern bequem von zu Hause aus kennenlernen – und bei Sympathie ein Treffen vereinbaren. 

Leider können auch die besten Internetdienste und virtuellen Singletreffs keine Garantien geben, dass es auf diesem Weg mit der neuen Liebe klappt. Besonders schwierig aus psychologischer Sicht ist dabei, dass die Teilnehmer sofort voneinander wissen, dass jeder auf der Suche nach einem Flirt oder einer festen Beziehung ist. So versuchen viele Gesprächspartner vor allem, sich ins beste Licht zu setzen, um zu gefallen und ihre Chancen auf dem Beziehungsmarkt zu verbessern.

Bei der Partnerwahl sind Ehrlichkeit und Offenheit Trumpf. Darum ist es schon beim Kennenlernen (und natürlich auch im Internet) empfehlenswert, sich nicht zu verstellen, sondern ganz natürlich zu geben. Das fällt leichter, wenn man daran denkt, dass niemand auf Erden perfekt ist. Nicht Vollkommenheit, Bestleistungen oder lebenslange Garantien sind bei der Partnersuche gefragt, sondern Nähe, Gemeinsamkeiten und die Bereitschaft, sich zu öffnen, gemeinsam zu freuen und zusammen für etwas Neues zu begeistern.

Optimismus und Vertrauen ziehen das Glück an 

Wo die nächste Liebe wartet oder wie die persönlichen Chancen auf eine glückliche Beziehung im neuen Jahr stehen, können selbst erfahrene Psychologen, Singleberater oder Paartherapeuten nicht voraussagen. Sicher ist nur, dass innere Stärke, Selbst- und Weltvertrauen, Gelassenheit und Zuversicht den Weg dorthin erleichtern und verkürzen.

Das alte Wort, man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst, enthält eine ganz einfache und sehr alte Wahrheit: Wer bereit ist, sich selbst anzunehmen und mit den Fehlern und Schwächen der Vergangenheit auszusöhnen, ist bereit für eine neue Liebe. Und ist der ersehnte Funke dann erst einmal übergesprungen, hat sich im Rückblick jede noch so lange Wartezeit gelohnt.