Konflikte lösen: So gehen Sie gestärkt aus Beziehungsstreit hervor

Jedes Paar, sei es auch noch so glücklich, wird es kennen: Streit kommt in jeder Beziehung vor. Vor allem alltägliche Reibereien, wie Unpünktlichkeit eines Partners oder die Aufgabenverteilung, sind der Grund für die weniger harmonischen Momente im Zusammenleben zweier Menschen. Um solche Konflikte zu lösen, ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, die beiden Partnern helfen, respektvoll und konstruktiv miteinander umzugehen.

Die häufigsten Arten von Beziehungskonflikten

In Beziehungen treten Konflikte in verschiedenen Formen auf. Laut einer vom US-Bildungsministerium durchgeführten Längsschnittstudie, sind die häufigsten Streitthemen von verheirateten Paaren mit Kindern im Kindergartenalter:

  • Haushalt (49 Prozent)
  • Geld (43 Prozent)
  • Kinder (41 Prozent)
  • zu müde für Sex (39 Prozent)
  • Freizeitgestaltung (33 Prozent)
  • Schwiegereltern (29 Prozent)
  • Zuneigung zeigen (22 Prozent)
  • Religion (10 Prozent)
  • Alkoholkonsum (8 Prozent)
  • Andere Männer/Frauen (4 Prozent)

Konflikte in verschiedenen Beziehungskonstellationen variieren

Paare mit getrennten Haushalten

Die Art und Häufigkeit von Konflikten kann je nach Beziehungskonstellation stark variieren. So stellen Konflikte über den Haushalt bei getrennt lebenden Paaren mutmaßlich eine kleinere Rolle dar, als Themen wie die Gestaltung der gemeinsamen Zeit oder die Organisation von Besuchen.

In solchen Beziehungen spielen oft Fragen zur zukünftigen Lebensplanung eine große Rolle. Diskussionen darüber, ob und wann man zusammenziehen möchte, ob eine Ehe in Betracht kommt oder ob man Kinder haben möchte, können zu Spannungen führen.

Konflikte in gemeinsam geführten Haushalten

In Beziehungen, in denen Paare zusammenleben oder verheiratet sind, treten dagegen häufiger Konflikte auf, die sich aus dem geteilten Alltag ergeben. Klassische Reizthemen sind Haushalt und Finanzen.

Ein Paar, das einen gemeinsamen Haushalt führt, ist häufiger kleinen Unstimmigkeiten ausgesetzt, die im Laufe der Zeit zu größeren Problemen führen können, wenn sie nicht konstruktiv gelöst werden. So können scheinbar banale Themen wie der Streit über den hochgeklappten Toilettendeckel zum Symbol tieferliegender, ungelöster Konflikte werden.

Konflikte in der Ehe

Konflikte, die in gemeinsam geführten Haushalten auftreten, zeigen sich selbstverständlich auch in der Ehe – oft in verschärfter Form. In einer Ehe ist man stärker von den Konsequenzen der Entscheidungen seines Partners betroffen, da die Lebensführung und Zukunftsplanung eng miteinander verflochten sind.

Neben den klassischen Reizthemen wie Haushalt und Finanzen kommen in vielen Ehen zusätzliche Herausforderungen hinzu, etwa die Kindererziehung. Entscheidungen darüber, wie Kinder erzogen werden oder wie elterliche Aufgaben verteilt sind, können zu intensiven Ehestreits führen, da sie oft tief verankerte Werte und Überzeugungen betreffen.

Hinter den Reizthemen liegt oft ein tieferes Bedürfnis

Die nicht vollständig ausgedrückte Zahnpastatube oder der hochgeklappte Toilettendeckel mögen auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, doch sie führen häufig zu ernsthaften Streitigkeiten.

Die scheinbaren Banalitäten und Kleinigkeiten wiegen in einer Beziehung langfristig sehr schwer, da sie immer wieder auftreten und es nur selten eine Lösung für sie zu geben scheint.

Der Grund dafür liegt weniger in den Dingen selbst, sondern vielmehr in dem Gefühl, dass die eigenen Wünsche oder Bedürfnisse nicht ernst genommen werden. Es ist das Empfinden von mangelndem Respekt, das diese kleinen Ärgernisse oft zu Auslösern größerer Konflikte macht.

Dabei ist der konstruktive Umgang mit diesen scheinbaren Kleinigkeiten eng verbunden mit Wertschätzung und Anerkennung des Partners. Jeder Mensch strebt danach, ernst genommen und respektiert zu werden. Dieses Bedürfnis macht sich vor allem bei solchen „Kleinigkeiten“ bemerkbar.

Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, markiert oftmals den Beginn einer nach oben offenen Streitspirale. Vielfach ähnelt sich der Streitverlauf in diesem Fall und so gibt entsprechend ein Wort das andere. Ebenso erinnert die Streitbeilegung an ein festes Ritual, das sich immer wiederholt.

Besonders ärgerlich hierbei: das Streitthema selbst wird durch das Verhalten der beiden Partner nicht gelöst. Die Auseinandersetzung selbst ist wichtiger geworden als der eigentliche Anlass, der den Streit entfacht hat.

Es geht nicht mehr um den Toilettendeckel oder die Zahnpastatube, sondern um die grundlegende Frage, ob beide Partner einander Respekt und Anerkennung zollen. Diese existenziellen Fragen für die Partnerschaft können in der aufgeheizten Streitsituation jedoch nicht beantwortet werden, was letztlich zu Enttäuschung und Ärger auf beiden Seiten führt.

Konflikte lösen in der Beziehung: So gelingt es

Praxistipps für Konflikte in Beziehungen: 3 Schritte zur Konfliktlösung

Eines vorweg: es ist sehr schwer, aus automatisierten Abläufen auszubrechen. Wenn der Ärger die Partner sprichwörtlich überflutet, ist fairer Streit in der Beziehung nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb ist es wichtig, bewusst Strategien zu entwickeln, um Konflikte konstruktiv zu lösen. Hier sind einige hilfreiche Praxistipps für einen guten Umgang mit Konflikten:

1. Auszeit nehmen

Es kann hilfreich sein, wenn sich das Paar grundsätzlich darauf geeinigt hat, eine Auszeit zu nehmen, wenn man merkt, dass einen der Ärger überrollt. Ein triviales Codewort wie etwa „Bananenmilch“ setzt hierfür ein akustisches Signal.

Verbunden mit einer solchen Auszeit sollte jedoch ein verbindlicher Zeitpunkt sein, an dem das Paar das Streitthema wieder aufnimmt und in aller Ruhe bespricht. Empfehlenswert hierfür ist eine Zeitspanne von etwa zwei Stunden, denn diese Zeit wird vom Körper benötigt, um die freigesetzten Stresshormone wieder abzubauen.

2. Zuhören und Verstehen

Ein zentraler Punkt im Konflikt ist das aktive Zuhören. Anstatt sofort auf Vorwürfe zu reagieren, sollte man dem Partner die Möglichkeit geben, seine Perspektive vollständig darzulegen. Durch Fragen und Interesse zeigt man, dass man den Partner ernst nimmt und wirklich verstehen möchte, was ihn belastet.

3. Ich-Botschaften verwenden

Ich-Botschaften sind ein Grundpfeiler der gewaltfreien Kommunikation, denn Vorwürfe provozieren im Gegenüber in aller Regel eine Defensiv-Haltung. Anstatt mit „Du machst immer…“ zu beginnen, könnte man sagen: „Ich fühle mich übergangen, wenn…“.

So bleibt die Kommunikation konstruktiv und es wird vermieden, den Partner in die Defensive zu drängen. Gesprächsführungstechniken, wie etwa das Gottman-Rapoport-Modell, bieten ein strukturiertes Vorgehen und können dazu beitragen, eine konstruktive Lösung zu finden.

Eine neue Perspektive auf Streit

Dr. Karl Berkel, ein Diplom-Psychologe und apl. Professor für Psychologie an der Universität München beschreibt in seinem Buch "Konflikttraining" zwei Dimensionen der Konfliktbewältigung:

  • Der Fokus liegt auf eigenen Zielen und Interessen.
  • Der Fokus auf den Zielen und Interessen der anderen Partei.

In einem Konflikt scheinen sich die Positionen der beiden Partner oftmals zunächst auszuschließen. Um selbst zu gewinnen, muss sich einer auf Kosten der anderen Partei durchsetzen. Dadurch entsteht eine win-lose-Situation.

Auf den zweiten Blick kann man jedoch erkennen, dass dies nicht immer der Fall ist. Ein Weg aus der Streitspirale kann darüber führen, die Bedürfnisse hinter den Lösungsvorschlägen zu klären und nach Lösungen zu suchen, durch die die Bedürfnisse beider Partner zufriedengestellt werden können.

So entsteht eine win-win-Lösung. Die Lösungssuche ist in diesem Fall nicht mehr gegnerisch, sondern wird zu einer gemeinsamen Aufgabe und der optimale Weg zu einem konstruktiven Streit in der Beziehung. 

Konflikte lösen: ein Beispiel

Ein Paar lebt zusammen, und eine Person erledigt fast alle Aufgaben im Haushalt – Putzen, Kochen, Wäsche, etc. Obwohl beide gleichermaßen beruflich eingespannt sind, beteiligt sich die andere Person kaum oder gar nicht.

So gewinnt diese Person (weil sie keine Hausarbeit leisten muss), während die andere Person sich überlastet und benachteiligt fühlt. Hier werden also die eigenen Interessen (wenig im Haushalt tun) über die Bedürfnisse des Partners gestellt (win-lose-Lösung).

In einer win-win-Situation sucht das Paar nach einer Lösung, bei der beide Partner gleichermaßen profitieren. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: So könnten sie beschließen, die Aufgaben nach Vorlieben und Verfügbarkeit einzuteilen.

Ein Partner, der unter der Woche weniger Zeit hat, übernimmt dann das Einkaufen oder Kochen am Wochenende, während der andere Partner kleinere, tägliche Aufgaben übernimmt. Beide fühlen sich gehört, und die Hausarbeit wird fair verteilt.

Eine weitere faire Lösung könnte sein, eine Haushaltshilfe zu engagieren. Der Partner, der sich weniger im Haushalt beteiligen möchte, könnte sich im Gegenzug stärker an den Kosten für die Finanzierung beteiligen. So wird die Arbeitslast reduziert, und beide Partner tragen auf ihre Weise zur Lösung des Problems bei – der eine finanziell, der andere durch eine Entlastung im Alltag. 

Bei Streit in der Beziehung gemeinsam nach Lösungen suchen

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich viele Konflikte lösen lassen und man der "Streitspirale" entkommen kann, wenn

  • es beiden Partnern gelingt, die Bedürfnisse des Gegenübers hinter den Lösungsvorschlägen zu erkennen,
  • beiden Personen klar ist, worum es dem Gegenüber geht und
  • sich beide Partner nicht in einer aufgeheizten Streitsituation befinden.

Konfliktprävention in Beziehungen

Konflikte sind wie Abwasch: Je länger man ihn hinauszögert, desto größer wird der Berg – bis er einem buchstäblich über den Kopf wächst. Deshalb ist die wichtigste Maßnahme zur Konfliktprävention, Probleme möglichst zeitnah und lösungsorientiert zu klären. Das gelingt am wahrscheinlichsten durch offene Kommunikation und Empathie.

Kommunikation und Empathie in der Partnerschaft

Eine Beziehung funktioniert am besten, wenn beide Partner regelmäßig miteinander sprechen und ihre Gedanken und Gefühle teilen. Durch offene Gespräche lassen sich aufkommende Probleme frühzeitig erkennen und bearbeiten - und zwar bevor sie zu größeren Konflikten führen. Wichtig ist, auch schwierige Themen nicht zu vermeiden, sondern diese in einem ruhigen Moment anzusprechen.

Offene Kommunikation ist auch deshalb so wichtig, weil viele Konflikte durch Missverständnisse oder unausgesprochene Erwartungen entstehen. Ehrlichkeit und Transparenz im Umgang miteinander helfen, solche Missverständnisse zu vermeiden. Es sollte zudem immer Raum sein, um Bedürfnisse oder Unsicherheiten offen auszusprechen. So wissen beide Partner, woran sie sind, und können Missstimmungen vorbeugen.

Dabei ist auch ein empathischer Umgang miteinander unabdinglich. Empathie bedeutet, nicht nur zuzuhören, sondern auch die Emotionen des Partners nachzuempfinden. Ein Perspektivenwechsel kann helfen, Konflikte zu entschärfen.

Indem man sich fragt: „Wie würde ich mich in dieser Situation fühlen?“, kann man den Standpunkt des anderen besser nachvollziehen. Dies reduziert das Risiko, voreilige Schlüsse zu ziehen oder nur die eigene Sichtweise zu sehen. Empathie fördert das Mitgefühl und stärkt die emotionale Bindung.

Langfristig lohnt es sich auch, dem Partner durch kleine Gesten der Anerkennung und Wertschätzung immer wieder zu signalisieren, dass auch viele Dinge in der Beziehung richtig laufen. Indem man seinem Partner regelmäßig dankt, fördert man das Gefühl von Zusammengehörigkeit und vermeidet, dass sich Unzufriedenheit aufstaut.

Positive Auswirkungen von Konflikten in Beziehungen

Viele Paare haben Angst vor Konflikten, weil sie befürchten, dass Auseinandersetzungen die Beziehung gefährden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Ein offen ausgetragener Konflikt ist vielmehr der Versuch, die Beziehung zu erhalten – und zwar auf eine Weise, die für beide Partner stimmig ist.

Konflikte bieten die Chance, Probleme anzusprechen, die ansonsten möglicherweise unausgesprochen bleiben würden. Wenn diese Schwierigkeiten gemeinsam und konstruktiv gelöst werden, stärkt das die Beziehung und kann die Partner sogar näher zusammenbringen.

Ein Konflikt zeigt auf, wo es in der Beziehung hakt, und zwingt beide Partner dazu, sich mit den Bedürfnissen des anderen auseinanderzusetzen. Das Ziel ist nicht, den Streit zu gewinnen, sondern den Konflikt zu lösen - und zwar zur Zufriedenheit beider Parteien.

In diesem Prozess lernen Paare oft mehr übereinander und darüber, wie sie sich gegenseitig unterstützen können. Ein gut gelöster Konflikt ermöglicht es beiden, ihre Beziehung auf eine neue, tiefere Ebene zu bringen.

Auseinandersetzungen schaffen zudem Raum für Wachstum und Vertrauen. Paare, die Konflikte lösen, machen die Erfahrung, dass sie Herausforderungen gemeinsam meistern können. Dieses gemeinsame Erleben stärkt das Vertrauen in die Stabilität der Beziehung.

Zudem führt die Lösung von Konflikten oft zu einer emotionalen Entlastung. Unterdrückte Spannungen und Frustrationen können ausgesprochen und bearbeitet werden, was zu mehr Klarheit und Harmonie im Alltag führt.

Nach einem konstruktiv gelösten Konflikt verstehen beide Partner besser, was der andere braucht, und können in Zukunft bewusster aufeinander eingehen. Letztlich stärkt dies das Fundament der Beziehung und sorgt dafür, dass kleinere Probleme nicht zu großen Belastungen heranwachsen.

Konflikte bieten also eine Chance, die Beziehung zu festigen und das gegenseitige Verständnis zu vertiefen. Paare, die lernen, Konflikte zu lösen, werden feststellen, dass dies die Grundlage für eine langfristig glückliche und stabile Partnerschaft bildet.

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Paarberatung Aachen 

Zuletzt bearbeitet: 24.10.2024

 

Quellen:

Zill, N. (2020, 29. Juli). What couples with children argue about most. Institute for Family Studies. Abgerufen am: 17.10.2024

Berkel, K. (1992). Konflikttraining: Konflikte verstehen und bewältigen. Sauer.