Trennung auf Zeit – heilsame Beziehungspause oder Abschied auf Raten?
Der Wunsch, sich vorübergehend zu trennen, kann viele Gründe haben: dauernder Streit, chronische ungelöste Konflikte, Gewalt, Suchtprobleme oder Untreue. Unterm Strich sind das in den meisten Fällen Gründe, aus denen sich viele Paare endgültig trennen. Der Wunsch nach einer Trennung auf Zeit ist also vor allem anderen ein Trennungswunsch – dessen sollten sich die Beteiligten bewusst sein. Die wichtigste Frage vor einer solchen Entscheidung ist daher, ob beide in der vorübergehenden Trennung eine neue Chance für ihre Partnerschaft sehen. Besteht neben den individuellen Erwartungen an die Zeit ohne den Partner auch eine reelle Hoffnung, danach die Beziehung wieder aufleben zu lassen und glücklicher als bisher weiterzuführen? Zieht das Paar eine Ehe- oder Paartherapie oder therapeutische Beratung während der Trennungszeit in Betracht? Haben beide vor, sich mit vergangenen Fehlern und zukünftigen Möglichkeiten der Partnerschaft auseinanderzusetzen und später gemeinsam etwas Neues darauf aufzubauen? Oder fehlt einfach nur der Mut, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen?
Trennung auf Zeit als Weg des geringsten Widerstandes
Nicht selten ist der Wunsch nach einer vorübergehenden Trennung ein Kompromiss: Ein Partner wünscht die Trennung, der andere nicht. Das ist grundsätzlich eine schlechte Voraussetzung für die spätere Wiedervereinigung, denn mit der rechnet dann häufig nur einer, während der andere eher hofft, einen einfachen Ausweg aus der ungewollten Beziehung zu finden. Das kann rein egoistische Gründe haben, wird aber zuweilen auch als Rücksichtnahme auf die Gefühle des anderen verstanden, was bedauerlicherweise in den meisten Fällen ein Trugschluss ist. Denn einen Abschied auf Raten gibt es nicht, lediglich einen Abschied unter falschen Voraussetzungen. Der jedoch wird schlussendlich für beide belastender sein, da er keinem gerecht wird, Fälliges unnötig hinauszögert, die Wahrheit verschleiert und somit auf alle Beteiligten das denkbar schlechteste Licht wirft. „Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende“, sagt der Volksmund – und hat Recht.
Trennung auf Zeit als letztes Austoben vor der Ehe
Das ist eine ähnlich schlechte Idee. Hier wird sozusagen ein Freifahrschein für das Fremdgehen gewünscht, ähnlich der zeitweisen Annullierung einer Ehe während der Faschingstage, wie sie zuweilen in Köln oder einer anderen karnevalsintensiven Region praktiziert wird. Auch hier geht der Wunsch selten von beiden Beteiligten aus, sonst wäre das Austoben auch ohne diese Formsache möglich – in und außerhalb der Ehe. Hegt ein Partner den Wunsch nach weiteren sexuellen Kontakten oder Liebesbeziehungen, ohne die bestehende Partnerschaft aufgeben zu wollen, sollten vielmehr die Gründe hierfür geklärt werden. Das kann gut im Rahmen einer Ehe- oder Paarberatung geschehen. Oft liegt ein Gefühl der Unausgelastetheit zugrunde, möglich sind auch unausgesprochene oder unerfüllte Sehnsüchte und Bedürfnisse oder ein auffällig starkes Erfahrungsgefälle zwischen beiden Beteiligten. Mut und Ehrlichkeit auf beiden Seiten sind bei den Gesprächen Ehrensache und Basis jedes konstruktiven Konzepts. Das Prinzip „Sicherstellen und Weitersuchen“ ist unehrlich, unfair und demütigend, führt selten zu dauerhaftem Glück und steht außerdem der Persönlichkeitsentwicklung im Weg.
Trennung auf Zeit, um die Leidenschaft neu anzufachen
Das kann funktionieren – muss aber nicht. Der Reiz des Fremden, der Rausch des Neuen und der Zauber des Unbekannten lassen sich ebenso wenig zurückbringen wie die Kindheit, da es unmöglich ist, die Zeit zurückzudrehen. Geschehenes bleibt geschehen, Vertrautes bleibt vertraut – möglich wäre höchstens, dass ein Partner wieder bemerkt, was er am anderen hat. Fehlen die alltäglichen Reibereien, wird vielleicht auch das Fehlen alltäglichen Komforts oder bisher übersehener Liebeshandlungen spürbar – danach sehnen sich vor allem diejenigen, die am liebsten überhaupt keine Trennung möchten, sich jedoch vernachlässigt fühlen und merken, dass ihnen der Partner immer mehr entgleitet. Auch hier wäre es sinnvoll, vor oder während der Trennung auf Zeit einzeln oder zusammen einen Paar- oder Eheberater aufzusuchen, um sich über die eigenen und die Erwartungen des Partners klarzuwerden und die Chancen auf eine glückliche Fortsetzung der Beziehung besser einschätzen zu können. Zum Aufrechterhalten der Leidenschaft oder zum Wiederanfachen des Feuers ist gute Kommunikation erforderlich; oft genügt es, wenn beide wieder lernen, miteinander zu reden und ihre Wünsche zu äußern. Beim Erarbeiten neuer Kommunikationsstrategien und beim Ausschöpfen der vorhandenen kann der Ehe- oder Paartherapeut ebenfalls eine große Hilfe sein.
Trennung auf Zeit, um individuelle Probleme zu lösen
Wenn Gewalt oder Sucht Liebe und Zusammenleben belasten, kann die Trennung auf Zeit eine echte Chance sein. Bei Alkoholismus, Spiel-, Drogen- oder krankhafter Eifersucht kann der Süchtige die Trennungszeit für eine Entziehungskur und Therapie nutzen, der Ko-Abhängige bzw. mittelbar betroffene Partner kann sich erholen, eine innere und äußere Bestandsaufnahme machen und sich eine Zeitlang bewusst auf seine eigenen Bedürfnisse konzentrieren, um neue Kräfte zu sammeln. Auch hierbei kann eine begleitende Therapie sinnvoll sein, denn in Gewalt- und Suchtbeziehungen wird vor allem der letztgenannte Punkt oft völlig aus den Augen verloren. Die eigenen Wünsche zu erkennen, zu formulieren und auch durchzusetzen muss vielfach neu erlernt werden. Natürlich ist auch bei dieser Form der Trennung auf Zeit wesentlich, dass beide es ernsthaft in Betracht ziehen, danach unter anderen, besseren Voraussetzungen wieder zusammenzuleben. Wer verspricht, sich zu ändern, muss das nicht nur wollen und dazu bereit sein, sondern auch entsprechende Schritte in die Wege leiten, hart arbeiten und später Erfolge unter Beweis stellen können. In solchen Situationen gingen der Trennung auf Zeit meist schon viele gebrochene Versprechungen und folgenlose Beteuerungen voraus, so dass sie als Ultima ratio und nicht als weitere Ausdehnung des Kreditrahmens angesehen werden darf.
Eine Trennung auf Zeit muss gut organisiert werden
Absprachen und Vereinbarungen, an die sich beide halten, geben der vorübergehenden Trennung einen klaren Rahmen. Sie bekräftigen den beiderseitigen Wunsch nach einer Wiedervereinigung, schützen vor unbedachten Handlungen und erleichtern die selbstgewählten Aufgaben. Steht die grundsätzliche Entscheidung, sollten die folgenden Punkte unbedingt berücksichtigt werden:
Wie wird die räumliche und finanzielle Trennung realisiert?
Getrennte Wohnungen sind besser als getrennte Zimmer. Das bedeutet das Finden einer zweiten Wohnung, das Aufteilen des gemeinsamen Haushalts, eventuell Neuanschaffungen und die Organisation des Umzugs. Dadurch entstehen Kosten.
Wer auszieht und wohin, muss ebenfalls geklärt werden. Ist die Distanz zu groß, schränkt das die Möglichkeiten einer Paartherapie oder regelmäßiger Treffen ein. Ist sie zu klein, kann es schwierig werden, sich in dem gewünschten Maße aus dem Weg zu gehen.
Ist ein Partner finanzieller Alleinversorger, aber nicht unterhaltspflichtig, muss der andere sich eventuell einen Job besorgen oder finanzielle Hilfe beantragen. Auch das kann einige Zeit in Anspruch nehmen.
Kinder, Familie und Freundeskreis
Wo sollen die Kinder während der Trennungszeit leben? Wie können die Eltern ihnen ihre Pläne am besten begreiflich machen? Ist eventuell auch eine Familientherapie oder Erziehungsberatung sinnvoll? Wie lassen sich Besuche, Ferienpläne und Familientreffen regeln? In welchem Umfang und auf welche Art soll der Freundes- und Familienkreis informiert und mit einbezogen werden?
Trennung auf wie lange Zeit?
Schon in Anbetracht der technischen und organisatorischen Herausforderungen, aber auch in Bezug auf die angestrebten Ziele sollte die Trennung mindestens zwei Monate dauern. Länger als ein halbes Jahr ist jedoch selten erforderlich. Danach sollten beide zu einer dauerhaften Entscheidung gelangt sein. Während der vereinbarten Trennungsphase sollte die Entscheidung möglichst noch nicht getroffen werden; auch dies spricht gegen eine zu lange Trennungszeit.
Umgang miteinander während der Trennungszeit
Paare, die Kinder haben oder zur gemeinsamen Therapie entschlossen sind, kommen oft nicht umhin, den Partner auch in dieser Zeit zu sehen. Ist die Beziehung kinderlos oder sind die Kinder bereits ausgezogen, kann auch eine Trennung ganz ohne Treffen vereinbart werden. In jedem Fall sollte vorher abgesprochen werden, ob sich die Partner während der Trennungszeit treu bleiben oder ob auch erotische bzw. sexuelle Kontakte mit anderen erlaubt sind. Manchmal wird auch vereinbart, dass darüber gar nicht gesprochen werden soll.
Wenn keiner die Trennung auf Zeit will
Der letzte Absatz gehört Paaren, die sich für eine gewisse Zeit trennen müssen, etwa, weil einer beruflich ins Ausland geht oder ein Teil der Familie den Wohnsitz wechselt und der andere Teil später erst nachkommen kann. In diesem Fall helfen Strohwitwer und Strohwitwe alles, was Mut, Vertrauen und Durchhaltewillen stärkt und trotz der körperlichen Trennung immer wieder das Gefühl der Nähe, gemeinsame Erlebnisse und das Schmieden von Zukunftsplänen ermöglicht. Neben den Klassikern Brief und Telefon bietet das Internet viele Optionen, den Kontakt nicht abreißen zu lassen: Per E-Mail, Chat oder Videotelefonie lässt sich bis zu einem gewissen Maß der Alltag selbst über weite Distanzen hinweg teilen; feste Rituale erleichtern das Warten und helfen gegen den Trennungsschmerz.