Warum tun Berührungen so gut?

Berührungen spielen eine grundlegende Rolle für unser Wohlbefinden und die Art und Weise, wie wir emotionale Bindungen aufbauen und pflegen. Denn von Geburt an sind Menschen auf Berührungen angewiesen.

Berührungen setzen das Hormon Oxytocin frei, das auch als „Kuschelhormon“ oder „Bindungshormon“ bezeichnet wird. Oxytocin beschert uns ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit und ist entscheidend bei der Entwicklung von sozialen Bindungen, (Selbst-)Vertrauen und Empathie. Es hilft uns, uns sicher und geborgen zu fühlen, und fördert das Gefühl der Verbundenheit mit anderen Menschen.

Bei jeder Berührung reagieren Millionen von Nervenenden, die in der Haut für den Tastsinn verantwortlich sind. Die Haut ist das größte Organ des Menschen, und der Tastsinn ist der erste Sinn, den ein Fötus im Mutterleib entwickelt. Die positiven Wirkungen von Berührungen gehen jedoch noch erheblich weiter: Zärtlichkeiten und liebevolle Berührung reduzieren Stress und tragen zur Entspannung bei, weil durch sie der Cortisolspiegel im Blut abgesenkt wird. Cortisol ist wie Oxytocin ein Hormon und wird in Stresssituationen freigesetzt. Zudem können zärtliche Berührungen den Blutdruck senken und zu einer allgemeinen Entspannung führen.

Berührung ist auch ein elementarer Teil der emotionalen Kommunikation. Tief empfundene Gefühle wie Liebe, Dankbarkeit oder Trost können oft mit einer Geste direkter vermittelt werden als durch Worte allein. In einer Partnerschaft entsteht durch Hautkontakt und Zärtlichkeit eine nonverbale Kommunikationsebene, die das Gemeinschaftsgefühl und Verständnis füreinander intensiviert und in schweren Zeiten lebendig halten kann.

Im Alltag reichen oft kleine Gesten aus, um eine große Wirkung zu erzielen. Eine sanfte Berührung am Arm, die Hand auf der Schulter, eine feste Umarmung oder ein liebevoller Kuss vermitteln Zuneigung, Wertschätzung und Nähe. Sie senden die Botschaft: „Ich nehme dich wahr, und du bist mir wichtig.“

Warum Berührungen die partnerschaftliche Beziehung stärken

Positive Berührungen sind eine universelle Sprache der Liebe und Zuneigung, die keine Worte braucht und das Herz ganz direkt erreichen kann. Sie fördern die emotionale Nähe und Intimität und ermöglichen es den Partnern, ihre Liebe und Fürsorge auf besonders persönliche Art zum Ausdruck zu bringen.

Der Austausch von Zärtlichkeiten in der Beziehung trägt dazu bei, ein Gefühl der Sicherheit zu schaffen und zu festigen. Durch regelmäßigen körperlichen Kontakt kann jedes Paar eine exklusive, vertraute Verbindung genießen, die nur ihnen gehört und aus der beide Kraft und Ruhe schöpfen können. Zudem helfen Berührungen oft dabei, Konflikte nonverbal zu klären oder sogar aufzulösen. Eine sanfte Berührung kann Wut oder Frustration abmildern und ist oft der erste Schritt zur Versöhnung nach einem Streit. Durch die liebevolle Hinwendung signalisieren Sie die Bereitschaft, Ihren Partner oder Ihre Partnerin zu verstehen und sich zu vertragen. Gleichzeitig gilt: Wenn Sie bei oder nach einem Streit (noch) keine Lust auf Berührungen haben, sind Sie mit dem Thema wahrscheinlich noch nicht „fertig“, etwa weil sie noch wütend sind oder noch nicht so richtig an die Versöhnung oder angebotene Lösung glauben.

Zärtlichkeit und Sex – warum das zwei verschiedene Dinge sind (und jedes für sich wichtig ist)

Zärtlichkeit umfasst liebevolle Berührungen und Gesten, die aber nicht unbedingt sexuell motiviert sind. Der Wunsch nach Zärtlichkeit kann daher unabhängig von sexuellem Verlangen auftreten und muss auch keine sexuelle Erregung hervorrufen.

Sex umfasst sowohl die körperliche als auch die emotionale Verbindung, die durch Intimität und gegenseitiges Begehren vertieft wird. Auch Sex, Erotik und Leidenschaft können ein intensiver Ausdruck von Liebe sein und die emotionale Bindung in einer Beziehung stärken. Wird der Wunsch nach Hautkontakt, Schmusen oder Kuscheln aber gleich als Bereitschaft zum Sex verstanden, führt das häufig zu Druck und Konflikten, die gar nicht sein müssten. Wer etwa glaubt, für sein Verlangen nach Zärtlichkeit mit anschließendem Sex „bezahlen“ zu müssen, tut weder sich noch dem Partner/der Partnerin einen Gefallen. Häufig wird dann lieber auch auf die Zärtlichkeit verzichtet, statt es einfach „darauf ankommen zu lassen“ und offen miteinander zu kommunizieren.

Während Berührungen und Berühren in einer liebevollen Partnerschaft unverzichtbar sind, um die Bindung zueinander immer wieder zu intensivieren und zu stärken, kann sich das Bedürfnis nach Sex und körperlicher Intimität mit der Zeit verändern oder Schwankungen erleben. So ist es durchaus normal, dass Leidenschaft im Alltag nicht immer gleich viel Zeit und Raum einnimmt. Oder dass ein Mensch phasenweise oder auch dauerhaft weniger Lust auf Intimität verspürt, ohne dass die Partnerschaft darunter leiden muss. Mangelt es in der Beziehung hingegen an Zärtlichkeit, so stellt das für viele Menschen ein großes Problem dar, das oft auch mit einem Schwinden der Leidenschaft und Lust aufeinander einhergeht.

Was passiert, wenn die Zärtlichkeit in der Partnerschaft dauerhaft zu kurz kommt?

Fehlende körperliche Nähe und zärtliche Berührungen in einer Partnerschaft gehen oft mit negativen Gefühlen wie Entfremdung und einer sich vergrößernden Distanz der Partner einher. Diese emotionale Distanz führt früher oder später zu einem wachsenden Mangel an Vertrauen und Sicherheit und entwickelt sich zunehmend zu einer Belastungsprobe für die Beziehung. In solchen Situationen ist die Partnerschaft auch besonders gefährdet für Untreue oder einen Seitensprung.

Des Weiteren kann ein Mangel an Zärtlichkeit zu einer Verringerung der emotionalen Tiefe und Intimität führen, die für eine auf Dauer ausgelegte Beziehung jedoch unersetzlich sind. Auch die Kommunikation kann schwieriger werden oder ganz „einschlafen“, wenn einem oder beiden die Zärtlichkeit fehlt. Denn zärtliche Gesten und Berührungen sind ein ganz wichtiger Austausch, bei dem Empathie, Verständnis und Wertschätzung in beide Richtungen fließen.

Ein chronischer Berührungsmangel führt meist zu Missverständnissen und Konflikten und kann langfristig schwere Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zur Folge haben. Wer in der Ehe oder Beziehung dauerhaft „zu kurz kommt“ oder „am ausgestreckten Arm verhungert“, fühlt sich in aller Regel einsamer und unglücklicher als ein Single mit unerfüllten Beziehungswünschen. Vielfach sind Einsamkeit und unerfüllte Sehnsüchte auch Auslöser für Depressionen, Erschöpfungszustände (Burnout) und andere psychische Erkrankungen.

Nimmt das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit mit der Zeit grundsätzlich ab?

In einer langjährigen Beziehung ist es nicht ungewöhnlich, dass das Bedürfnis nach Nähe, Zärtlichkeit und körperlicher Intimität abnimmt. Die Gründe hierfür sind meist Alltagsstress (z. B. durch Kinder), Sorgen oder einfach ein übervoller Terminkalender. Ein erstes Abflauen der Leidenschaft spüren viele Paare schon nach wenigen Monaten, wenn die rosa Brillen und Sonntagsgesichter einfach nicht mehr jeden Tag getragen werden können.

Diese „Abkühlung“ bedeutet allerdings nicht, dass das grundlegende Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit abnimmt. Vielmehr passen sich die Ausdrucksformen und Bedürfnisse im Laufe einer Beziehung den Lebensumständen (und der eigenen geistigen und emotionalen Entwicklung) immer wieder neu an (Beziehungsphasen). Was als stürmische Leidenschaft beginnt, kann sich zu einer tieferen, ruhigeren Form der Liebe entwickeln, die weniger von sexuellem Verlangen oder erotischer Leidenschaft geprägt ist als von einem beständigen Gefühl der Verbundenheit, des gegenseitigen Verständnisses und der sicheren Zugehörigkeit.

Nicht selten erlebe ich in meiner Praxis als Paartherapeutin aber auch, dass das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit mit der Zeit sogar größer werden oder ein spektakuläres Comeback erleben kann. Manchmal liegt das einfach daran, dass ein Paar endlich wieder mehr Zeit für sich hat, etwa wenn die Kinder ausziehen. Viele Menschen werden mit zunehmender Lebenserfahrung auch gelassener, schämen sich z. B. weniger für ihre Unzulänglichkeiten, können mehr Nähe zulassen und werden damit auch (wieder) empfänglicher für Zärtlichkeiten. So gibt es auch nach vielen Jahren Gelegenheiten, sich als Paar neu zu entdecken oder das gemeinsame Leben neu zu strukturieren. Entscheidend ist, dass beide offen miteinander sprechen und bereit sind, wieder aufeinander zuzugehen und sich Zeit füreinander zu nehmen – für Gespräche, gemeinsames Lachen, zärtliche Gesten und liebevolle Momente.

10 Tipps für mehr Zärtlichkeit in der Partnerschaft

Zärtlichkeit ist ein elementarer Bestandteil einer gesunden, liebevollen Beziehung. Ein empfundener Mangel kann zu einer Reihe von Problemen führen, die sowohl die emotionale als auch die physische Ebene der Beziehung betreffen und nicht selten in einer Trennung münden. Damit es nicht soweit kommt, habe ich zum Schluss noch 10 Tipps für Sie, um mehr Zärtlichkeit in Ihrer Partnerschaft zu erfahren:

  1. Integrieren Sie Zärtlichkeit in Ihren Alltag. Berühren Sie sich jeden Tag. Das kann ein Kuss zum Abschied sein, eine Umarmung beim Wiedersehen oder das Einschlafen Hand in Hand.
  2. Planen Sie jeden Tag etwas bewusste Zeit mit- und füreinander ein. Selbst wenn es nur ein paar Minuten am Tag sind: Diese Momente gehören nur Ihnen beiden – freuen Sie sich jeden Tag darauf.
  3. Reden Sie über Ihre Bedürfnisse und Wünsche. Sprechen Sie offen an, wenn Sie Zärtlichkeiten und liebevolle Aufmerksamkeit vermissen. Senden Sie dabei „Ich-Botschaften“, vermeiden Sie Vorwürfe – und hören Sie gut zu, wenn Ihr Partner/Ihre Partnerin von eigenen Bedürfnissen und Wünschen spricht.
  4. Gemeinsame Aktivitäten. Unternehmen Sie regelmäßig etwas zusammen und genießen Sie die gemeinsame Zeit. Tun Sie, was Ihnen beiden Freude bereitet, oder wechseln Sie sich ab, wenn Sie keinen gemeinsamen Nenner finden. Vielleicht lernen Sie so ja ein neues (gemeinsames) Hobby kennen?
  5. Verschenken Sie kleine Aufmerksamkeiten. Überraschen Sie Ihren Partner ab und zu mit einem schönen Mitbringsel oder einer liebevollen Geste. Das muss kein aufwendiges, teures Geschenk sein; auch ein Gruß am Kühlschrank, eine Blume oder eine Einladung zum Essen können den Tag verzaubern und glücklich machen.
  6. Genießen Sie körperliche Nähe. Verwöhnen Sie sich gegenseitig mit einer Massage oder intensiven Streicheleinheiten. Das wirkt nicht nur herrlich entspannend, sondern fördert Intimität und Nähe.
  7. Seien Sie auch zärtlich mit Worten. Machen Sie einander Komplimente, verwenden Sie Kosenamen, die Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner gefallen und etwas bedeuten – nichts einfach so Dahingesagtes wie das routinierte „Schatz“, das viele Paare sogar beim Streiten verwenden. Nennen Sie Ihren Lieblingsmenschen beim Namen; liebevoll ausgesprochen, hat kaum ein Wort für uns einen schöneren Klang. Und sagen Sie, wann immer Sie Ihre Liebe besonders tief empfinden, „Ich liebe dich.“
  8. Teilen Sie Erinnerungen. Sprechen Sie immer wieder über gemeinsame schöne Erlebnisse, schauen Sie sich alte Fotos an oder besuchen Sie das Restaurant, in dem Sie sich zum ersten Mal verabredet haben. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Bindung zueinander.
  9. Seien Sie empathisch. Hören Sie aufmerksam und interessiert zu und signalisieren Sie verbal und nonverbal, dass Sie Ihren Partner/Ihre Partnerin verstehen, dass Sie zu ihm/ihr stehen und er/sie sich auf Sie verlassen kann.
  10. Kommunizieren Sie ohne Worte. Eine sanfte Berührung kann mehr Trost spenden und mehr Kraft geben als sorgsam gewählte Worte oder vernünftige Tipps. Nutzen Sie die Kraft der Berührung und Ihre Zärtlichkeit, um Ihre Partnerin oder Ihren Partner Ihre Loyalität und Empathie spüren zu lassen.

Fazit: Ob jung oder alt – liebevolle Berührungen sind lebensnotwendig

Zärtlichkeit und Berührungen sind für Menschen jeden Alters und Geschlecht unverzichtbar, denn sie helfen dabei, dass wir unsere Innenwelt mit der Außenwelt abgleichen können, nicht vereinsamen und nicht einfach den Verstand verlieren, wenn die Welt mal wieder besonders chaotisch oder gefährlich zu sein scheint. Liebe, Geborgenheit und Sicherheit (Commitment), Intimität und dauerhafte Nähe zu anderen Menschen sind ohne Berührungen kaum möglich – das gilt für Babys ebenso wie für hochbetagte Senioren. Also, wie wäre es, wenn Sie nach der Lektüre einfach Ihren Partner oder Ihre Partnerin in den Arm nehmen und spüren, wie gut es Ihnen tut, diese Nähe zu fühlen und zuzulassen?